Von Gerhard Ziegler
Toni Reisner war Beamter. Heute kümmert er sich mit Freunden um zwei Weingärten im Burgenland – aber keine einzige Flasche verlässt den privaten Kreis. Ein Gespräch über Idealismus, Muskelkater und das Glück, etwas wachsen zu sehen.
Herr Reisner, warum macht man so etwas – viel Arbeit, kein Verkauf, keine große Bühne?
Reisner: Ganz einfach: weil ich meinen eigenen Wein machen will. So, wie ich ihn haben will – in der Qualität, wie ich ihn mir wünsche. So einen Blaufränkisch, wie ich ihn mache, kann ich nicht kaufen.
Also: Das ist wirklich euer Weinberg. Und ihr macht das als Gemeinschaft. Nur für euch.
Reisner: Wir haben zwei Weingärten. Einer wird von uns sechs Freunden seit 2013 bewirtschaftet – Blaufränkisch. Den zweiten betreue ich in anderer Konstellation, auch dort Blaufränkisch, aber noch junge Reben. Das Besondere ist die Einzelstockkultur. Das ist viermal so viel Arbeit – alles per Hand. Aber es lohnt sich.
Wann habt ihr damit angefangen? Und wie viele Jahrgänge habt ihr inzwischen produziert?
Reisner: Die erste Ernte aus dem Freundes-Weingarten war 2013. Der Einzelstockgarten liefert seit 2019.
In der Vorstellung klingt das alles sehr romantisch. Aber die Realität ist vermutlich… kerniger?
Reisner: Ohne ein bisschen Weinbau-Romantik würde es gar nicht funktionieren. Es ist eine emotionale Sache. Jedes Jahr bringt Überraschungen, Freude – manchmal auch Verzweiflung. Aber kalt lässt einen das nie. Es ist Natur pur. Und wir sind keine Profis – das macht es nur intensiver.
Wie groß sind eure Flächen – und wie viel Wein entsteht daraus?
Reisner: Beide Gärten haben je rund 1.000 Rebstöcke auf einem Viertelhektar. Aus der Drahtrahmenkultur kommen jährlich rund 900 Flaschen, je nach Jahrgang. Der Einzelstockgarten schafft, wenn’s gut läuft, etwa 600 Flaschen.
Nicht gerade wenig. Wenn jetzt jemand das liest und sich denkt: Ich will da mitmachen – wie steigt man da ein?
Reisner: Bei uns war es Zufall. 2013 haben wir einen Weingarten übernommen, der eigentlich gerodet werden sollte. Wir haben ihn gerettet – unter der Bedingung, dass wir ihn selbst roden, wenn wir irgendwann aufhören. Das verpflichtet. Es ist kein Acker, sondern ein Garten – gepflegt, gehegt. Ein Ort, an dem man sich wohlfühlen soll. Für mich ist das ein Rückzugsort. Da bin ich zu Hause.
Und der zweite Weingarten?
Reisner: Ist Eigengrund. Ich habe ein Grundstück gekauft, ausgepflanzt – schwerer, lehmiger Boden mit Muschelkalk-Einschlüssen. Südwestlage, kühle Fallwinde vom Rosaliengebirge. Für Blaufränkisch optimal. Viel anderes geht dort auch nicht, ehrlich gesagt.
Sortenfrage: Bleibt ihr beim Blaufränkisch oder wird experimentiert?
Reisner: Nur Blaufränkisch. Wir haben mal mit anderen Trauben gespielt – zum Lernen. Aber was wir heute tun, tun wir ernsthaft: vom Rebschnitt bis zur Gärung, alles in unserer Hand.
Was kostet das – an Zeit und Geld?
Reisner: Schwierig zu sagen. Im Jahr kommen pro Person vielleicht ein bis zwei Stunden pro Woche zusammen. Beim Einzelstock viermal so viel – gerade ab Juli. Finanziell waren es am Anfang um die 10.000 bis 11.000 Euro pro Garten. Wir hatten ja nichts: keinen Traktor, keine Rebschere, kein Fass. Die laufenden Kosten liegen bei etwa 400 bis 500 Euro im Jahr – für Abfüllung, Korken, Etiketten. Das summiert sich. Und Kellerräume zu finden ist im Burgenland nicht leicht. Ein Wein entsteht in einer Garage, der andere in einem gemieteten Keller.
Die Flasche auf unserem Tisch heißt „9 and a half rows“. Eine Privatabfüllung. Also: Nicht käuflich?
Reisner: Genau. Das ist unser Wein. Beim „9 and a half rows“ habe ich 150 Flaschen pro Jahr. Da könnte ich vielleicht 50 verkaufen. Aber für diese 50 Flaschen einen Betrieb zu gründen, ein Kellerbuch zu führen – das lohnt sich nicht. Wenn Freunde eine Flasche wollen, bekommen sie eine – gegen Unkostenbeitrag. Mehr nicht.
Wäre es nicht sinnvoll, es Hobby-Winzern leichter zu machen, kleine Mengen legal zu verkaufen?
Reisner: Ich finde nicht, dass das ein Thema ist. Die meisten Hobbywinzer machen ihren Wein für sich. Das ist dann ein Geschenk, ein Mitbringsel – etwas, das man nicht kaufen kann. Das hat Charme. Und unsere Weine schneiden bei Blindverkostungen sehr gut ab, weil sie trinkfreudig und naturbelassen sind. Man schmeckt das Jahr.
Was waren die größten Herausforderungen bisher – und die schönsten Momente?
Reisner: Das Schönste war unser erster Jahrgang beim „9 and a half rows“. Mit Unterstützung von Thomas Lenhart aus Gols – ein Glücksfall. Und das Schlimmste? 2014 – kühl, nass, viel Säure. 2016 dann Hagel, Frost. Wir nannten den Wein „Respekt“, weil es ein Wunder war, dass überhaupt etwas Gutes dabei herauskam. Acht Jahre später ist er erstaunlich gut – ein Spätentwickler.
Zum Schluss: Gibt es eine Weinkrise – oder nur eine Verlagerung?
Reisner: Krise? Noch nicht. Aber es gibt einen Trend. Junge Leute trinken weniger – und Rotwein im günstigen Segment ist schwer verkäuflich. Hochwertige Rotweine laufen noch gut. Unsere Weine würden da eher hineinpassen.
Toni Reisner und sein Blaufränkisch von “9 and a half rows”.