Die Domaine Leflaive ist ein Familienweingut im Burgund, das wir ziemlich freundlich betrachten. Bewusst, das Bessere auch durchsetzen zu wollen als Leitsatz. Die Domaine Leflaive, wo man ausschließlich Chardonnay keltert, ist also ein besonderer Betrieb für uns; ein Betrieb der Erinnerungen aufruft, die auch ans Herz gehen. Wie entstand die Domaine Leflaive? Wie kam sie in das Heute. Wo liegen ihre Lagen?
Die Gründung der Domaine
Im Alter von 20 Jahren machte Joseph Leflaive (1870–1953) seinen Ingenieursabschluss an der Ecole Polytechnique; als Ingenieur in der französischen Kriegsmarine war er am Entwurf und Bau des ersten französischen U-Bootes beteiligt – eine Person also, die nicht zwingend etwas mit Wein zu tun hatte. Andererseits: Frankreich war, speziell damals, eine absolut weinvernarrte Nation. Etwas mit Wein zu tun zu haben, stand jeder und jedem gut zu Gesicht.
Die Heirat von Joseph mit Camille Béatrix du Villars gab Josephs beruflicher Laufbahn eine neue Richtung. Er leitete das Hüttenwerk La Chaléassière und kümmerte sich gleichzeitig, ein bisschen so nebenbei, auch um die Rebstöcke der Familie in Puligny-Montrachet. Von den Hochöfen in die Weingärten also – was heute ein toller Filmstoff wäre. Denn sich fern stehendere Berufe gibt es kaum.
Zu jener Zeit hatte das Weinbau-Erbe stark unter der schrecklichen Pest Reblaus gelitten und war zudem auch nicht besonders groß. Die erzeugten Weine verkaufte man an die Weinhändler der Region. 1920, gleich nach dem die Nation und ihre Wirtschaft erschöpfenden ersten Weltkrieg startete Joseph Leflaive ein Programm zur Rekultivierung, Erweiterung und Weiterentwicklung des Weingutes – mit Hilfe seines Gutsleiters und Freundes François Virot (1890–1964).
Gemeinsam wählten sie neue Wurzelstöcke aus, die besser an die Bedingungen der einzelnen Lagen angepasst waren – was damals kaum jemand machte. Schrittweise begann Joseph Leflaive, seine Weine unter eigenem Namen an Händler und an private Kundschaft zu verkaufen. Und dieses neue Unternehmen, dass jetzt auch von Leidenschaft begleitet war, reüssierte zunehmend, wurde bekannt, wurde zur Marke und überlebte auch den zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet.
Die zweite Generation
Als Joseph Leflaive – der das Glück hatte, für beide große Kriege des letzten Jahrhunderts zu alt für ein Soldatenleben zu sein – im Jahr 1953 starb, beschlossen die vier Kinder (Anne, Jeanne, Jo und Vincent) die Domaine nicht zu zerstückeln – also aus den Anteilen nach napoleonischen Familienrecht wiederum eigene Betriebe zu gründen. 1973 gründeten sie in weiterer Folge eine Société Civile d‘Exploitation, eine Betriebsgesellschaft, eine damals rechtlich seltene Art für ein Weingut.
Und erneut war dieses 1973 ein Wechsel von einer beruflichen Laufbahn in eine andere, der bei den Söhnen den Beginn von Leidenschaft und Ehrgeiz markierte: das Streben, den Chardonnay der Côte de Beaune zu einem Spitzenwein zu machen. Der bisherige Versicherungsunternehmer Joseph (Jo) aus Grenoble übernahm die administrative und finanzielle Leitung der Domaine, während Vincent, HEC-Absolvent (auf Management und BWL spezialisierte Universität) und Ingenieur in Ugine die Bewirtschaftung des Rebstockbestandes, die Vinifizierung und die Vermarktung der Weine übernahm. Ein perfektes Team, das Großes leistete. Die Domaine Leflaive wurde zum Qualitätsmaßstab und erwarb sich weltweite Reputation.
Die dritte Generation
1990 wurde Anne-Claude, die Tochter von Vincent Leflaive, von der Familie zur gemeinsamen Geschäftsführung mit Olivier, Sohn von Joseph berufen. Der neuen Generation blieb der Beistand der vorherigen erhalten, da Vincent bis zu seinem Tod 1993 Vorstand des Verwaltungsrates war. Im folgenden Jahr wurde Anne-Claude zur Geschäftsleiterin ernannt und vom Verwaltungsrat unterstützt. Ab 1996 begann das Weingut auf energisches Betreiben von Anne-Claude mit der gesamten Umstellung auf den biodynamischen Anbau. 2004 beschloss man, in Anerkennung des außergewöhnlichen Potenzials der Terroirs des Mâconnais, die Investition in neun Hektar in Mâcon- Verzé, denen in 2013 weitere elf Hektar in Mâcon-Verzé und um Solutré folgten. 2013 errichtete das Weingut nach bioklimatischen Kriterien einen Ausbaukeller ober der Erde.
Die vierte Generation
Nach dem bedauerlichen, frühen Ableben von Anne-Claude (2015) beschließen die Familiengesellschafter, den familiären Charakter des Weingutes zu bewahren, und ernennen Brice de La Morandière zum geschäftsführenden Gesellschafter. Brice, Urenkel von Joseph Leflaive, Enkel von Jo Leflaive und Neffe von Anne-Claude, kehrte nach 27 Jahren Karriere in der Führung internationaler Konzerne nach Puligny zurück und ist als geschäftsführender Gesellschafter bis heute in dieser Funktion tätg, in der er viele Weichen stellt, etwa die Gründung des Leflave-Negociant-Labels „Esprit Leflaive.“
Die Lagen
Was hat Leflaive zu bieten? Und wo?
Grand Cru Lagen: in Montrachet, Chevalier-Montrachet, Bâtard-Montrachet und in Bienvenues-Bâtard-Montrachet; in Puligny-Montrachet die Premier-Cru-Lagen Les Pucelles, Folatières, Les Combettes und Le Clavoillon plus zwei Parzellen, deren Trauben als Bourgogne-Blanc abgefüllt werden und in Meursault: so genannte „sous le Dos d‘Âne-Village-Lagen“.
Dazu kommt seit 2004: Das Mâconnais
„Das Mâconnais”, so schreibt uns Leflaive, “birgt hervorragende Terroirs, die dem Chardonnay ebenfalls wunderbare Ausdrucksmöglichkeiten bieten, wenn man sich die Zeit für eine sorgfältige Bearbeitung der Böden und Weinberge nimmt. Aus diesem Grund hat die Domaine 2004 fünf Weinbergsparzellen in der Gemeinde von Verzé im Mâconnais (Appellation Mâcon-Verzé) mit einer Gesamtfläche von 9,33 ha erworben (die Lieux-Dits sind: Les Chênes, En Perret, Le Monté, Escolles und Les Muses).
Ab 2013 folgten weitere Parzellen in Verzé – Les Chênes und Les Casson (Le Clos) – und in der Gemeinde von Solutré in den Appellationen Mâcon-Solutré (La Verchère), Pouilly-Fuissé (Les Crays, En Pragnes, En Pommards, La Chaneau, En Charmont, Vers le Mont und La Duire) und Saint Véran (En Pommards).
Der Weinguts-Philosophie getreu werden alle Weinberge von einem für sie zuständigen Team biodynamisch bewirtschaftet. Die Lese erfolgt komplett per Hand, das Keltern findet in jenen Gebäuden statt, die gleichzeitig mit den Weinbergen erworben wurden. Die Moste werden während der Erntezeit täglich nach dem Vorklären nach Puligny-Montrachet gebracht, wo sie unter Aufsicht der Kellermeister der Domaine Leflaive vergoren und ausgebaut werden.
Fazit und Schlusswort: Die Domaine Leflaive ist ein progressiver Betrieb, der sich nie neu erfinden muss, weil die Familie und die Mitarbeiter stets gleich das Neue denken und keine Möglichkeit gehaltvoller zu werden auslassen – denn besser werden kann Leflaive ja nicht mehr. Und hier hat man schon biodynamisch gekeltert, als viele andere Winzer der Region alles Biodynamische als Humbug verspotteten. Die Weine aus dem Mâconnais sind zudem Weine mit echt zivilen Preisen. Leistbarer Luxus in einer an echten Luxus immer ärmeren Welt