Ein kleines Familienweingut aus Deidesheim schreibt seine Ablehnung der in großen Teilen als rechtsextrem eingestuften AfD in einem Kürzel auf ihr Rückenetikett. Folge: best of shitstorm. Aber muss das denn überhaupt sein? Ist Wein politisch – abseits der Weinpolitik?
Kathrin und Christoph Mehling keltern gemeinsam ein paar ziemlich gute Pfälzer Weine. Etwa Rieslinge GG vom Forster Ungeheuer, Kalkofen oder auch von unbekannteren Lagen wie die Obere Petershöhle. Schon bei den Gutsweinen ist gut erkennbar: hier wird auch der geringste Wein hoch geschätzt. Und die satt grünen Weingärten erklären: auf den Hängen der Mehlings wird maximal naturnah gearbeitet. Alles da, was ein sehr gutes Weingut ausmacht.
Bislang liefen die Mehlings im Mainstream besserer und exzellenter Weine als eine regionale Klein-Größe mit. Soll heißen: Freude über jede Flasche, auch wenn wir nicht an erster Stelle gleich an die Mehlings dachten. Denn inzwischen gibt es in Deutschland glücklicherweise eine große Menge Winzer, die ihr Weingut ähnlich ausrichten wie jenes der Mehlings. Das Jahr hat leider zu wenige Tage, all diese großartigen deutschen Weine gesamtumfassend zu verkosten oder zu trinken.
Doch am vorletzten Tag des letzten Jahres wurden die Mehlings auch überregional bekannt. Nicht wegen des Inhalts ihrer Flaschen, sondern wegen ihres Rückenetiketts. Wir zitieren aus „focus“:
„Das kleine Familienweingut Mehling sieht sich nach der Verbreitung eines Wein-Etiketts im Internet einer starken Welle von Kritik ausgesetzt. Laut Angaben des Betriebs habe das Etikett vermehrt Aufmerksamkeit erhalten, was zu zahlreichen negativen Google-Bewertungen führte. Denn die Weine tragen die Kennnummer „FCKAFD1224“ – offenbar eine Positionierung gegen die Partei AfD.“
Was folgende Folgen hatte:
“Die Winzer (Mehling) beklagen, dass viele der Bewertungen nicht auf tatsächlichen Erfahrungen basieren. „Wir bekommen negative Google-Bewertungen mit ausgedachten, diskreditierenden Aussagen von Leuten, die unsere Weine nie probiert haben“, erklärten sie in einem Beitrag, der auf Reddit zitiert wird. „Das schadet unserem kleinen Familienweingut leider sehr.
In dem Statement bittet das Weingut Unterstützer um Hilfe. Positive Google-Bewertungen könnten helfen, die falschen Kommentare auszugleichen. „Das wäre wahrlich ein Weihnachtsgeschenk für uns“, heißt es in dem Appell. Und das haben sie wohl geschafft. Das Weingut hat nun fast fünf Sterne bei Google und die negativen Kommentare sind nicht mehr sichtbar.
Anders sieht es auf Facebook aus. Dort häufen sich negative Kommentare von AfD-Sympathisanten, die den Winzern sogar den Bankrott wünschen. „Ich hoffe, dafür bekommt ihr die Quittung“, heißt es dort. Oder auch: „Selten sowas Unnötiges gesehen wie euer ‘FCKAFD’ Bitte lass es Hirn regnen, ihr wisst wohl alle nicht, was Demokratie ist.“
Eine Kommentatorin schreibt, dass ihre Kaufentscheidung von dem Etikett beeinflusst wird: „Ich kaufe jetzt bei der ausländischen Konkurrenz. Die haben Wein ohne politischen Beigeschmack. Ihr lebt in einer Fantasiewelt.“
Doch wozu?
Ganz klar: die AfD ist, ähnlich der österreichischen FPÖ, eine klar in weiten Teilen rechtsextreme Partei – noch dazu im deutschen Osten mit einem ganz klar völkisch-arischen Meinungskorridor. Die AfD bloß als „rechts“ zu framen ist eine von vielen Fehlleistungen des linksliberalen Journalismus – geschenkt.
Doch auch wenn wir mit der politischen Meinung der Mehlings übereinstimmen – was jeder Demokrat tun muss – , dann stellt sich doch die Frage nach dem Warum. Warum etikettiert man ein Statement, wo doch eigentlich klar ist, dass gute, moderne, neue Weine in Deutschland (und auch in Österreich) ohnehin nur von Menschen getrunken werden, die pluralistisch und demokratisch denken? Warum zum Beispiel hat keine österreichische Winzerin (Männer sind hier mitgemeint) unseres Wissens je ähnliches getan (in Deutschland aber drei andere Winzer schon)? Und das, obwohl – wie die Wineparty weiß – fast alle großen, guten, modernen und klugen österreichischen Winzer zur rechtsradikalen FPÖ nur eindeutige Ablehnung kundtun – das aber eben nur im privaten Gespräch.
Steckt da vielleicht wieder „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ dahinter – jene Lust zu belehren, wie sie oft deutsche Mentalität ist? Sollten sich Winzer das nicht besser verkneifen? Vor allem, wenn wir eh sofort auf einem Blick erkennen, dass die Mehlings eindeutig dem demokratischen Wählerspektrum zuzuordnen sind. Oder ist es inzwischen, aufgrund der Bedrohung demokratischer Strukturen (wie eben jetzt bald in Österreich wahrscheinlich), quasi Pflicht, auch auf den Produkten eigener Kelterung Stellung zu beziehen?
Was meint Ihr? Wir freuen uns auf Antworten hier im Forum oder in den Foren der unsozialen Medien, wo wir diesen Beitrag auch teilen.
René Müller (Social Media)
Nein, ich will beim Wein genießen und nicht die Meinung von irgend einem hinter dem Wein auf die Nase gebunden haben.
Politik nervt mich schon im Alltag, da muss mir nicht noch ein Weingut mit auf den Sack gehen.
Politische Neutralität zeugt von Größe.
Thomas Reichert (Social Media)
Vorweg: die Haltung der Mehlings ist aus meiner Sicht richtig und darf auch so zum Ausdruck gebracht werden.
Ich bin selber politisch etwas aktiv und was man da auf der Straße auf dem rechten Ohr zu hören bekommt, ist häufig nochmal ne ganz andere Hausnummer („Politiker xy hätten sie aufhängen müssen“).
Was die AFD und deren Anhänger indes perfekt beherrscht: sich in der Opferrolle sehen. Man selber darf austeilen („man darf ja wohl noch seine Meinung sagen“) aber beim Einstecken jammern. Mit diesem Opferkult betreiben sie sehr erfolgreich Wahlkampf und erzeugen immerzu Aufmerksamkeit, indem zum Beispiel hier über das Weingut diskutiert wird und ich diese Zeilen tippe.
So, und jetzt warte ich auf den ersten Fascho, der mich wegen dem Kommentar hier zusammenstaucht…
Manuel Zimmermann (Social Media)
Thomas Reichert Ich erlebe das leider selbst im beruflichen Umfeld. Die AfD und ihre Anhänger verschieben den Diskurs massiv – und wenn sich jemand klar gegen sie positioniert, geht die Verschiebung immer weiter in Richtung „Wir sind Opfer, ihr seid die Bösen“. Erschreckend finde ich, dass es so viele Menschen gibt, denen dieses Kalkül egal ist bzw. die sich daran aktiv beteiligen.
Hermann Höhle (Social Media)
Grundsätzlich sollte jeder Mensch alles tun was praktisch in seiner Macht steht um Schaden von seinen Mitmenschen abzuwenden. Also ja.
Andy Jackson (Social Media)
Schön dass die Mehlings sich erst pauschal polemisch kritisch äußern und sich dann darüber beschweren dass sie ebenso polemisches Feedback erhalten. Ich hatte ein paar der Weine aus Mehlings Kollektion vor ca 9 Monaten getestet und fand diese interessant, hatte mir fest vorgenommen beim nächsten Deidesheim Besuch mehr zu testen und kaufen. Beim Weinfest war dann leider der Hof geschlossen. Und nun so ein infantiles Verhalten. Dass einige zentrale AfD Forderungen mittlerweile Einzug in Agenda und Wahlprogramme gehalten hat, ist ja nur ein kleiner Teil. In der AfD mag es aus diversen Gründen, zu denen auch so eine polemische Verallgemeinerung wie die der Mehlings zählen, einen hohen Anteil unappetitlicher Gesellen geben (Wer mit beruflich etwas zu verlieren kann sich denn in dieser dauer-echauffierten Gesellschaft in der AfD engagieren um dem gemäßigten Teil der Partei zum internen Sieg zu verhelfen?), aber am Parteiprogramm wird es in vielen Punkten bald keine Optionen geben wenn der Staat und die Gesellschaft nur halbwegs weiter funktionieren soll. Mich haben die Mehlings als Kunden verloren bzw werden mich nicht gewinnen. Wer so spaltet verliert Sympathie.
Hermann Höhle (Social Media)
Andy Jackson die Reaktionen der Faschos waren nicht polemisch kritisch, sondern zerstörerisch. In der AfD gibt es nicht einen hohen Anteil unappetitlicher Gestalten, die Partei selbst ist im Kern nationalsozialistisch.
Hermann Höhle (Social Media)
Andy Jackson Zum Thema lese man “Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen” von Hendrik Cremer. Zugegeben, das dauert etwas und der Stil ist akademisch.
Dirk Würtz (Social Media)
Es gibt nur eine einzige sinnvolle Antwort:
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten
Maximilian Philipps (Social Media)
Dirk Würtz Aus genau diesem Grund finde ich die Idee staatlich eingekaufter „trusted flagger“, die gegen nicht näher definierte „Hassrede“ – also z.B. auch das posten eines Habeck-Memes – vorgehen, so problematisch.
Nina Weis (Social Media)
Faschismus ist keine Meinung und Antifaschismus für mich nicht primär irgendeine linke Haltung, sondern unser aller demokratische Bürgerpflicht. Wir alle sind die Brandmauer. Dass wir jetzt sorgsam das Für und Wider abwägen, uns als Einzelpersonen, aber auch als Institutionen, Unternehmen etc. sich im Dienst unserer Demokratie entsprechend zu positionieren, finde ich fast schon etwas befremdlich.
Axel Moldenhauer (Social Media)
Nein, Wein muss natürlich nicht politisch sein. Aber natürlich dürfen die Winzer ihrem Produkt eine politische Message mitgeben (hat ja z. B. van Volxem auch und noch deutlicher gemacht)
Ingo Deckler (Social Media)
Wein braucht nicht politisch zu sein, wenn man sich aber dazu entschließt sich öffentlich zu positionieren, dann muss man auch mit dem zu erwartenden Gegenwind rechnen. Zumindest ist das Weingut Mehling jetzt auch über Deidesheim und die Pfalz hinaus bekannt. Die paar Kunden, die deswegen ausbleiben, werden sicher durch neue kompensiert.
Eric Carstensen (Social Media)
Natürlich ist jeglicher Konsum auch politisch! Als Käufer und Konsument sind bestimmte Waren (für mich) ein No-Go… Ich kaufe nichts von Faschisten und Unterstützern von diesen – keinen Wein, keinen Tesla, keine Butter, keine Milch, kein Wasser, etc. – also einfach nix! Da finde ich eine klare Positionierung wie von Mehling, Lukas Krauß und anderen Kollegen eher hilfreich! #fckafd
Werner Fladung (via Social Media)
Wenn ich das Recht verstehe, hat das Statement der Mehlings dazu geführt, dass aus der rechten Blase schlechte Bewertungen verfasst wurden, ohne je einen Wein probiert zu haben. Das Recht der freien Meinungsäußerung hat Verfassungsrang, üble Nachrede ist dagegen strafbar. Wenn den AfD-Leuten die Meinung nicht gefällt, müssen sie den Wein ja nicht kaufen.
Arne Prescher (Social Media)
Wein muss nicht politisch sein, darf es aber. Immerhin stehen mit den Winzern Menschen dahinter, die ihre Meinung äußern dürfen. Und gegen rechts macht man sowieso nichts verkehrt. Die Aktion “Wein gegen Faschismus” von Lukas hat das ja auch schon gemacht. Als Teil der Gesellschaft ist es gut, diese mitzugestalten und zu versuchen, sie im positiven Sinne zu verändern.
Risto Rieger (Social Media)
Ich recherchiere das nicht, aber wenn ich mitbekomme, dass der Winzer ein Nazi ist, kaufe ich seine Weine nicht mehr. Egal, wie grandios seine Preziosen auch sein mögen. Gibt ja zahlreiche Beispiele. Vor allem im Burgund. Aber auch in Ö und D.