In den letzten Jahren wurden viele neue Rebsorten gezüchtet, die gegen Schädlinge und Klimaveränderungen resistenter sind. Doch groß durchgesetzt habe sich diese Sorten nicht. Jetzt aber könnte einer Sorte dieses Wunder gelingen.
Der Weinbau und der Klimawandel. Das ist eine inzwischen lange Geschichte. Zu den Fakten dieser Geschichte gehört, dass Winzer schon sehr früh den Klimawandel wahrnahmen – die ersten schon Ende der 1990er-Jahre – und vom Klimawandel unter sich und in internen Foren schon sehr genau berichten konnten – vor allem von den Auswirkungen. Und zu den Fakten gehört eben auch, dass der Weinbau weniger unter den Auswirkungen leidet als die übrige Landwirtschaft – das liegt an der generellen Fähigkeit der Schlingpflanze Rebe mit einem veränderten Klima durch das oft extrem tiefe Wurzeln besser umgehen zu können. Anders gesagt: fällt wenig Regen, so holt sich die Rebe das Wasser oft aus einer Tiefe, die einem nur staunen lassen kann. Klartext: Der Klimawandel hat vor allem in den nördlicheren Ländern bisher eigentlich nur Gewinner gezeitigt. Vor allem im Weinbaugebiet Mähren (Tschechische Republik), wo heute Weine gekeltert werden, die vor 20 Jahren ganz und gar undenkbar waren – ähnlich in der südlich anschließenden österreichischen Region Weinviertel.
Aufgrund des stabilen Sonnenklimas galten südeuropäische Länder, vor allem Italien, all die Jahrzehnte als sichere Bank, was sichere Ernten anbetrifft. In Deutschland oder Österreich (und auch teilweise im Südwesten Europas, vor allem in Frankreich) beispielsweise, gab es aber in den 1970er und 1980er-Jahren noch Jahrgänge, die massiv problematisch waren (Regen, Regen, Regen – kalt); Jahrgänge, die man für Qualitätsweine canceln konnte. Der Leitspruch der Winzer, vor allem jener in unseren Ländern war: Ein guter Winzer hat einen Jahrgang im Weingarten, einen im Keller und einen auf der Bank. Und da war genau nix falsch dran (ist es heute eigentlich immer noch nicht).
Doch dann, so ab 1995 fielen in Deutschland, Österreich und auch Frankreich und Spanien, die richtig schlechten Jahrgänge einfach aus und die Winzer lernten mit technischen, mehr aber mit biodynamischen Weinbau, in fast jedem Jahr gute Weine zu keltern. Was auf Kosten des Ertrags ging. Weniger Weine, die noch dazu teurer, dafür aber immer qualitativ auch besondere Weine: die Konsumenten, ja sogar die deutschen, machte mit.
In Italien, in Spanien und im Südwesten Frankreichs kamen und kommen einige rote Sorten unter klimatischen Druck, früher als sonst reift zu werden und ausdrucksarme Trauben zu liefern – ganz deutlich zeigt sich das beim Merlot. Dem können die Winzer mit anderem Laubschnitt entgegenhalten, der den Trauben mehr Schatten bringt. Das sagt also: Trotz Klimawandel kann der Weinbau weiter exzellentes Lesegut liefern. Und mehr denn je noch dazu.
In diese Situation stoßen jetzt nun neue Sorten hinein, die zum Teil schon vor mehr als 30 Jahren gezüchtet wurden, so genannte „Piwi-Sorten“. Piwi heißt „Pilzwiderstand“ und sagt, dass diese Sorten gegen schädliche Pilze immuner sein sollen, sodass die Winzer nicht mehr zu chemischen Funghiziden greifen müssen, um Pilzkrankheiten abzuwehren. Piwis stehen also total im Einklang mit einem ökologischen Umbau des Weinbaus, der in dieser Kulturlandwirtschaft zum Leidwesen der chemischen Industrie seit nun bald 30 Jahren massiv vonstatten geht.
Das Crux mit Piwis aber ist, dass die Weine aus diesen Trauben eher durchschnittlich schmecken, wenn sie nicht von überdurchschnittlichen Winzerhänden gekeltert werden. Merlot, Riesling und andere aber haben immer ein sehr deutliches Geschmackspotential, sodass – man verzeihe mir den Ausdruck – jeder Depp einen halbwegs brauchbaren Wein aus diesen alten Sorten keltern kann.
Doch jetzt feiert eine Piwi-Sorte Erfolge, die sich geschmacklich vielfältiger zeigt, eine Sorte, die ein neuer Grauburgunder werden könnte – eine in Deutschland als Pinot grigio bei den Konsumenten massiv erfolgreiche Sorte. Und diese Sorte ist die Souvigner gris, eine Kreuzung zweier seltsamen Rebsorten namens Seyval blanc und Zähringer, die 1983 in der DDR zum landwirtschaftlichen Patent angemeldet wurde – ein Ossi also.
Souvigner gris ist stark resistent gegen Echten und Falschen Mehltau sowie gegen Botrytis – die Grundübel des Weinbaus. Botrytis aber ist auch für ein paar der besten Süßweine der Welt verantwortlich, also nicht immer unwillkommen. Was die Sorte in guten Winzerhänden kann zeigt der für mich derzeit beste Souvigner gris, der „Lössikindl“ vom ewig-schon-bio-Weingut Schmidt vom Kaiserstuh in Baden. Spontan vergoren, also ohne Hilfshefen, noch dazu im kleinen Holzfass, hat dieser Wein von Anfang an Kraft und Charakter. Dazu kommt eine immense Saftigkeit, der Geruch nach Südfrüchten, etwas Cashewnüsse und nicht gering Pfeffer – fruchtig und würzig: die ideale Kombination für einen VW-Golf der Weine. Aber kein Bentley. Wird er und muss er nie werden.
So einer ist an der Bar eine Überraschung, mit der kaum jemand rechnet. Und er gefällt Frauen und Männern. Keine eierlegende Wollmilchsau. Aber die Andere.