Zypern. Die Insel mit einer Art Berliner Mauer, die aber durchlässiger ist als die Teilung in der deutschen Hauptstadt je war. Auch Vergleiche mit Korea gibt es, und auch die sind freilich falsch. Tatsache aber ist: Zypern ist mit Korea das einzig brutal geteilte Land der Welt, mit Grenzanlagen, demilitarisierten Zonen und UNO-Personal vor Ort. Noch vor zehn Jahren gab es Tote an der seit den späten 1970ern militarisierten Grenze zwischen der griechischen und türkischen Bevölkerung. Der griechische Teil Zyperns, wo es sogar noch Reste der britischen Militärbehörde gibt (in das Land integrierte Sonderzonen) ist Teil der EU; der türkische Teil, die dortige Politverwaltung, wird nur von der Türkei anerkannt ist ökonomisch klar der ärmere Teil der Insel.
Zypern hat auch Weinbau – durchaus interessante Sachen. In Limassol unterhält Nic Marcou eine viel besuchte Weinbar. Gerhard Ziegler hat sich aufgemacht, eine Weinpersönlichkeit aus einer der Wiegen des Weinbaus zu interviewen. Auf Deutsch, denn Nic Marcou ist in Wien aufgewachsen.
Wineparty: Ich sehe hier eine Wand voll mit österreichischen Weinen. Wie das?
Nic Marcou: Unser Konzept war von vornherein die Spezialisierung auf österreichische Weine. Österreichische Weine – warum? Ich selbst bin in Wien geboren und aufgewachsen, meine Mutter ist Österreicherin, mein Vater Zypriote; und so war mir der Hang zu österreichischen Weinen schon vorgegeben. Die österreichischen Weine haben praktisch von vornherein unser Sortiment dominiert und weil auch nicht zuletzt wir große Fans der österreichischen Weine sind und an die Qualität der österreichischen Weine und auch an das herausragende Preis-Leistungs-Verhältnis glauben, favorisieren wird die Österreicher hier im Besonderen.
In Limassol haben wir auch eine sehr große russische Community, und die ist oftmals mit den österreichischen Weinen sogar schon vertrauter als manche Einheimische. Die Gäste im Gesamten sind eigentlich im großen Ganzen wirklich froh auch einmal ein anderes Sortiment zu finden, das man so sonst eigentlich nirgendwo auf der Insel findet.
Wineparty: Limassol ist ja eine auch internationale Stadt, ist die Stadt der Ex-Pats, ist aber auch die Stadt vieler junger Leute, die auch chancensuchend sind oder hier bei internationalen Firmen die Karriereleitern klettern. Wie stehen die Jungen speziell zu Wein? Gibt es da eine Veränderung? Gibt es da einen Paradigmenwechsel?
Nic Marcou: Also wenn wir von Jungen reden würde ich einmal einerseits sagen, die jungen Einheimischen fangen mehr und mehr an, sich für Wein zu interessieren, den Wein zu schätzen und auch mehr Wein zu trinken. Das war hier in Zypern nicht immer so. Diese Weinkultur, wo man abends auf ein Gläschen Wein geht, wird mehr und mehr verbreitet. Nicht so extrem vielleicht, wie wir es aus Mitteleuropa oder Italien oder Frankreich kennen, aber es nimmt definitiv zu und Limassol ist sowieso auch sehr multikulturell und da hat man auch viele Einflüsse aus dem Ausland.
Das allgemeine Interesse Wein zu trinken und über Wein zu lernen steigt, so wie ich es sehe, jedes Jahr. Daher bietet es auch viele Möglichkeiten neue, ungewöhnliche, andersartige Weine hier anzubieten.
Wineparty: Das wäre dann aber doch anders, als wir es beispielsweise in Deutschland erleben oder auch teilweise in Österreich, wo von einer Weinkrise die Rede ist, zumindest von einer Rotweinkrise. Gibt es in Deinem Laden oder in Deinem Umfeld eine solche Krise oder glaubst Du insgesamt, dass sich da gerade was verändert?
Nic Marcou: Ja, also das was ich persönlich immer wieder jetzt erlebe in letzter Zeit ist, dass die Leute nach alkoholfreien Weinen fragen. Dieser Trend, was ich schon mitbekomme, scheint sich weltweit irgendwo auch mit zu etablieren oder durchzusetzen – dass die Leute eben, wie gesagt, auf den Alkohol verzichten, dass die Nachfrage nach alkoholischen Produkten und eben auch natürlich nach Wein etwas zurückgeht, weil manche Leute vielleicht gesundheitsbewusster leben wollen.
Unsere Stammklientel dafür trinkt, sag ich mal, nach wie vor den Wein, den sie gerne trinkt. Und es gibt auch immer wieder ein paar verblüffend neue Gäste, die das Thema Wein richtig interessiert, die sich da richtig reinsteigern, die richtig konsumieren.
Wineparty: Dry January?
Nic Marcou: Der ist aufgrund der Sozialen Medien ein weltweites Phänomen, das mittlerweile Leute dazu anhält, den Monat über auf Alkohol zu verzichten. Aber ich kann zumindest beurteilen, auch aufs letzte Jahr bezogen, dass insgesamt der Weinkonsum hier in Limassol nicht großartig zurückgegangen ist.
Wineparty: Es gibt aus Zypern viel Neues, es gibt PetNats, es gibt andere neue Varianten des Kelterns. Was imacht jetzt den zypriotischen Wein aus? Den aktuellen zypriotischen Wein?
Nic Marcou: Wenn man vom zypriotischen Weinbau spricht, muss man wissen, dass, auch wenn auf dieser Insel seit Jahrtausenden von Jahren Wein angebaut wird, dieser lange Zeit von nur vier großen Firmen, die wirklich Massenweine produziert haben und den auch oft billigst exportiert haben, dominiert wurde. In den letzten dreißig Jahren aber gibt es mehr und mehr individuelle Winzer außerhalb dieser Konglomerate, die hochwertigere Weine keltern. Und Zypern hat natürlich aufgrund des Klimas gute Rotweine, eingie davon werden jetzt, trotz Hitze, auf weniger Alkohol getrimmt.
Es gibt also einen Trend zu leichteren Weinen. Und es gibt jetzt auch einige Winzer, sogar einen, den ich persönlich kenne, der einen Wein nach der gleichen Methode wie auch die Beaujolais Niveau keltert, also Mazeration Carbonique, um die Tannine zu reduzieren, um einen leichteren, angenehmeren, süffigeren Wein auch für die Sommermonate herszustellen. Und PetNats sind voll im Trend.
Einer der ältesten namentlich erwähnten Weine auf der Insel ist der sogenannte Commandaria, ein Dessertwein, der aus getrockneten Trauben, meistens aus Weißen der sogenannten autochthonen Rebsorte Xynisteri und und der roten Mavro gekeltert wird – diesen Wein gibt es geschätzt seit fast 1000 Jahren. Die Legende sagt, dass schon Richard Löwenherz hier auf Zypern den Commandaria genossen haben soll.
Wineparty: Wie sieht es mit internationalen Sorten aus?
Nic Marcou: Internationale Sorten werden in Zypern schon seit vielen Jahren angebaut und auch durchaus mit Erfolg, vor allem Rebsorten, die hier, in diesem warmen Klima, gut gedeihen wie zum Beispiel der Syrah, der hier tolle Ergebnisse bringt, aber auch weiße Sorten, also Sauvignon Blanc oder Chardonnay. Aber allgemein geht der Trend mehr in Richtung der autochthonen Rebsorten, weil es einfach sowohl für Touristen, die das Land besuchen, aber auch für den Export, interessanter sind.
Wineparty: Welche Weine sind hier im Import erfolgreich und reicht die zypriotische Produktion aus alle zu versorgen? Oder muss Zypern importieren?
Nic Marcou: Die zypriotische Weinproduktion beläuft sich auf circa 30 bis 40 Millionen Liter Wein pro Jahr, was an und für sich für die zypriotische Bevölkerung ausreichen würde. Aber weil jährlich circa 4 Millionen Touristen den griechischen Teil Zyperns besuchen, ist die Nachfrage dermaßen groß, dass wir importierte Weine brauchen, um das Sortiment zu komplettieren und einfach auch für neue Abwechslung auf dem Markt zu sorgen.
Wineparty: Was mit libanesische Weinen? Der Libanon ist ja nur rund 180 Kilometer weit weg.
Nic Marcou: Die Nachfrage nach libanesischem Wein ist aktuell nicht wahnsinnig hoch. Was auch daran liegt, dass nicht mehr so viele Libanesen hier leben. Die Einheimischen suchen kaum libanesische Weine und mittlerweile ist eigentlich die Nachfrage nach israelischen Weinen deutlich höher, was sich damit erklärt, dass es in Zypern in den letzten Jahren eine große Zunahme an israelischen Einwanderern gibt.
Wineparty: Fliegst Du manchmal noch hoch und besuchst die Winzer, die Du hier handelst?
Nic Marcou: In der Regel bin ich einmal im Jahr in Düsseldorf auf der ProWein, einer der größten Weinmessen der Welt, wo ich auch die Gelegenheit habe, praktisch alle Winzer, auch die österreichischen Winzer persönlich zu treffen. Darüber hinaus bin ich einmal im Jahr in Österreich und versuche viele der Winzer zu besuchen. Doch einige österreichischen Winzer kommen auch hin und wieder nach Zypern, etwa Leute von Schloss Gobelsburg, Zull, Hirsch aus dem Kamptal oder Peter Bernreiter. Für die richten wir extra Veranstaltungen aus.
Wineparty: Wir wollen noch einmal zurückzukommen auf die Weingüter hier im Land. Gibt es hier einen echten Agrotourismus? Also keine Folklore, sondern echten Tourismus im Weinbereich?
Nic Marcou: Ja, vor allem am Land, wo die Gäste in traditionellen Steinhäusern wohnen. Da würde ich aber jetzt nicht unbedingt sagen, dass das zwangsläufig viel mit Wein zu tun hat. Was aber verstärkt auch angeboten wird, sind Besuche bei den diversen Weingütern. Und es gibt, das ist relativ neu, einige Restaurants, die an die Weingüter direkt angeschlossen sind.
Wineparty: Gibt es eine überregionale levantinische Weinkultur?
Nic Marcou: Ich persönlich kann da jetzt keine wirkliche Gemeinsamkeit feststellen, allein schon aufgrund meiner Erfahrung, dass im türkischen Teil der Insel allgemein deutlich weniger Wein konsumiert wird. Für eine originale levantinische Weinkultur kann ich keine wirklichen Anhaltspunkte erkennen.
Wineparty: Danke für das Gespräch. Was hatten wir da im Glas?
Nic Marcou: Gritsch Steinterrassen Riesling 2023 Wachau.
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