Reden wir über die Klimaerwärmung. Und ihre Vorteile für den mitteleuropäischen Weinbau, festgemacht an einem Weingut eines österreichischen Adeligen.
Die Klimaerwärmung, die man ruhig auch Klimakatastrophe nennen darf, denn sie wird sich in zehn Jahren wohl massiv als solche outen; die Klimaerwärmungskatastrophe hat in Mitteleuropa eine Branche massiv zum Positiven beeinflusst: den Weinbau.
Jaja, ich mache schon halblang. Natürlich ist der Vorteil nur einer Branche in der ganzen Gemengelage nur das, was das schöne, jüdische Wort nebbich aussagt und abbildet – unwichtig also, am Ganzen gemessen. Dennoch erfreut der Klimwandel eine große Anzahl deutscher, österreichischer, tschechischer, Schweizer und luxemburgischer Weintrinker und Winzer seit mehr als 10 Jahren mit gewichtigen, einheimischen Weiß- und Rotweinen, die, in diesem Gewicht, vor zwanzig Jahren selten bis nie gekeltert wurden. Dass es weniger regnet macht den Weinreben wenig aus, denn sie suchen dann ihr Wasser in der Tiefe, wohin ihre Wurzeln mit steinsprengender Gewalt gut und auch gemessen schnell vordringen können. Und es sind eben dann diese in die Tiefe dringenden Wurzeln, die die Salze der Minerale gering aber geschmacksbildend in die Traube bringen und die Weine so auch geschmacklich verbessern und sie singulärer ausfallen lassen. Zusammengefasst gilt also, was sich die Winzer nicht groß auszusprechen trauen, weil sie es selber, klug genug, nicht für opportun halten, diesen Vorteil an die große Glocke zu hängen. Tatsache aber bleibt: Dass wir aus Ländern, die Jahrzehnte bis Jahrhunderte für leichte und spritzige Weißweine und für ihre eigentlich ungenießbaren Roten bekannt waren, nun auch gewichtige, lang lagerfähige Rotweine keltern zu vermögen – und ja: diese gibt es nun selbst auch in Deutschland schon mehr als eine Dekade – , das ist der Benefit des Klimawandels. Einiger Nachteil des climate change für den Weinbau sind die nun öfter und radikaler denn je auftretenden Extremwetterlagen. Also Starkregen, wie vor zwei Jahren vernichtend an der Ahr, oder Hagelstürme. Doch jeder ältere Winzer, der sich an die schon biblisch schlecht anmutenden Jahrgänge der 1970iger- und auch noch der 1980iger-Jahre erinnert, der kann heute nicht groß genug preisen, was nun Tatsache ist: Dass kein Weinjahr durch Scheißwetter gesamt ausfällt. Der Jahrzehnte geltende Spruch: Ein voraussorgender Winzer hat einen guten Jahrgang im Keller, der gilt heute genau gar nicht mehr.
Das österreichische Weinviertel war zwei Jahrhunderte eine große aber qualitativ unbedeutende Weinregion, die leichte und saure Weine für die Wiener Heurigen (Straußenwirtschaften) lieferte und wo viele Winzer bloß Bauern waren, die auch Rebstöcke stehen hatten. Es waren billig Weine, die man soff um vergnügt zu sein oder sich zu betäuben. Das ändert sich gerade radikal.
Einen, den das Ändern traf, der auf das Ändern traf und änderte, das war und ist Maximilian Graf von Hardegg – in Österreich ist das Verwenden des Adelstitels seit 1918 höchstinstanzlich verboten. Maximilian Hardegg – wir beugen uns der Ösi-Gesetzeslage – erbte von seinen Eltern in den 1990iger-Jahren einen großen landwirtschaftlichen Betrieb, tausende Schweine, etwas Getreide, ein paar Hektar Rebstöcke und ein schönes, kleines Schloss, das er zuerst mal renovieren musste. Das alles noch dazu in Rufweite zum Eisernen Vorhang, der schwer bewachten tschechoslowakischen Grenze – dort, wo niemand leben wollte.
Doch dann fiel der Kommunismus, die Grenze wurde abgebaut, Österreich kam schnell zur EU und das nördliche Weinviertel wurde bis 2004 „Ziel-Eins-Gebiet“ der EU-Wirtschaftsförderungen. Hardegg, für den der Weinbau vom Nebending, das so mitlief, zur Leidenschaft wurde, holte sich den jungen Peter (von) Veyder-Malberg als Önologen, der eines mitbrachte, was andere damals nichtmal buchstabieren konnten: ein Verständnis für Cool-Climate-Weine, die vor dreißig Jahren, anders als heute, keine moderne Mode waren.
Als Malberg ging hinterließ er in den 2000ern ein für die Moderne – und nicht für Moden – gerüstetes Weingut, das sich mit seinem Weißwein der aus Frankreich geholten Sorte Viognier einen Namen gemacht hatte. Dieses Holen anderer Rebsorten fiel der politisch korrekten und sinnlosen Bewegung hin zur lediglich autochthonen Trauben zum Opfer.
Bei Hardegg keltert man heute viele exzellente und delikat schmeckende Weißweine (man macht aber auch fürwahr feines Mehr und goldigen Naturhonig, die man sich beide in ein Weinpaket packen lassen kann), die von wenigen, aber nennenswerten Rotweinen begleitet werden. Vorzumerken: Das Weinviertel ist wohl eine der schlechtesten Rotweingegenden der Welt. Oder besser: war mal.
Deswegen empfehle ich neben den anderen Weinen von Graf Hardegg, die allesamt die Klimaerwärmung schmecken lassen, den einfachen Pinot-noir des Weinguts, ein Wein aus einer französischen Sorte, die Mönche mit nach Österreich brachten und die im Lande getrost als autochthon gelten kann.
Wer Pinot-noir, in Deutschland „Spätriesling“ anbaut, der stellt sich auf eine Traube ein, die als Prinzessin auf der Erbse gilt, als schwierig zu handhaben. Aber die Schädlinge nehmen mit zunehmender Trockenheit ab und der Pinot wird mit dem Mehr an Sonne und Wärme ein gewichtiger Pinot. Trotzdem bleibt er ein kühles Trinkvergnügen, denn die vielen neuen Sonnentage sind immer noch Sonnentage im Weinviertel, im südlichen, erhöht gelegenen Mähren, wo man jetzt eben seit 1918 nur mehr deutsch spricht und wo es nach wie vor während der Ernte richtig kühle Nächte gibt.
So entsteht hier ein absolut cooler, moderner und auch kühl, mit rund 14 Grad zu trinkender, easy-going Rotwein, der nicht aus der üblichen Blase der Cool-Wine-Community kommt und dort auch nicht hingehört. Es ist ein Wein für aufgeklärte Weintrinker und kein Wein für eine sich als Moderne definiernde Blase von Winzern, die zunehmend nervt.
Lasst es uns also aussprechen: Dieser Pinot-noir von Grad Hardegg ist ein Geschenk der Klimaerwärmung. Und nicht das einzige Geschenk, das Winzer aus lange verächtlich betrachteten Weingegenden machen können.
Nachtrag: Wer die Gegend besuchen will, der sollte auch die angrenzenden Weingebiete und die schöne Stadt Retz besuchen. Kulinarik und Hotellerie haben große Niveau zu immer noch moderaten Preisen. Und dann noch: Peter Veyder-Malberg unterhält nun ein eigenes, großartiges, kleines Weingut in der prestigeträchtigen Wachau. Aber das ist eine andere Geschichte.