Es gibt Flaschen, die öffnen sich leicht. Und es gibt Flaschen, die öffnen Geschichte und Geschichten der Geschichte. Der Château Figeac 1989 aus der Magnum ist so eine Flasche. Sie steht auf dem Tisch wie ein Monument. Bordeaux, St-Émilion, aber eben Figeac – der ewige Außenseiter der Region mit seinem hohen Cabernet-Anteil (Sauvignon und Franc). Und 1989? Ein Jahrgang mit Hitze, freilich nicht vergleichbar mit heutigen Hitzen. Heiß. Aber elegante Weine. Keiner von diesen aufgedunsenen 2000ern, sondern ein Wein mit Rückgrat, ein im beste Sinne Alter-Machart-Bordeaux mit feinen 13,5% Alkohol.
Der Korken gleitet sanft heraus, kein Bröseln, kein Fluchen, kein Korkschmecker. Das ist der Moment des garantierten Glücks, denn nichts ist mehr beschissen, wie ein großer Wein der korkt. Ich hatte tagelang schlechte Laune, als mein 1961er Cheval-Blanc in der üblichen Trinkerrunde im Wiener Restaurant Livingstone 2001 einen Kork hatte – die offene Anteilnahme der Runde („Mah, Klimek: so aa Pech“) konnte mich nicht trösten.
Figeac 89 Magnum. In der Nase? Stil: Gering aber gleich Leder, dann Zigarrenkisten-Anzündeholz, ein Hauch von verblühter Rose. Aber auch noch kräftig Leben: Schwarze Johannisbeeren, ein bisschen Graphit, irgendwo im Hintergrund eine kühle, fast minzige Frische, etwas weißer Pfeffer, gering Gelbwurz. Kein Marmeladen-Bordeaux, sondern einer, der noch ohne Koks marschiert.
Im Mund? Perfekt gereift. Die Tannine sind da, aber so weich, dass man sie fast nicht bemerkt. Säure? Genau richtig. Struktur? Wie ein Anzug aus der Savile Row – nichts kneift, nichts flattert. Die dunklen Früchte sind noch präsent, aber nicht mehr dominant. Stattdessen: Trüffel, Waldboden, ein Hauch von schwarzem Tee – Lapsang Souchong. Der Abgang zieht sich wie eine gute Erinnerung – lang, subtil, immer noch vibrierend.
Wer trank mit? Kein dekadenter Kreis von Sammlern, die Weine nur für den Wiederverkauf kaufen. Keine Instagram-Sommeliers, die alles fotografieren, bevor sie den ersten Schluck nehmen. Sondern eine Gruppe von Menschen, die verstehen, was auf dem Tisch steht. Da ist der Gastronom, der noch weiß, wie Bordeaux vor Parker geschmeckt hat. Da ist der Journalist, der nicht mehr schreibt (Rente), aber immer einen Spruch a la ehem. Ressortleiter Leitmedium auf Lager hat (jetzt aber lieber trinkt statt redet). Da ist der bayrische Händler, der diesen Figeac noch für einen gering dreistelligen DM-Betrag gekauft hat und sich andauernd darüber amüsiert. Und natürlich der Typ, der sonst eigentlich nur Bier trinkt, jetzt aber zugibt, dass das hier vielleicht doch was anderes ist.
„Das ist Bordeaux, wie er sein soll.“ Und keiner widerspricht.