Klaus Wagner war eine jener Personen, die in der Gastronomie seltener werden: nicht laut, aber gerne polternd; nie schrill, aber mit einer Aura, die den Raum erfüllte. Klaus Wagner war nicht einfach nur önologischer Patron des legendären “Landhaus Bacher” in Mautern: er war – zuletzt zurückgezogen – über lange Jahre Hausherr einer gastronomischen Institution, die längst über die Landesgrenzen hinaus Strahlkraft besaß – dank der großartigen Küche seiner Frau und der Mittelpunktperson des Restaurants, Lisl Wagner-Bacher.
Klaus Wagner war ein Wertkonservativer mit Geschmack, mit Haltung und mit einer Leidenschaft, die sich nicht in belanglosen Superlativen erschöpfte. Wenn Klaus Wagner sprach, hörte man zu – dafür sorgte er selbst. Wenn er am Haustisch Wein einschenkte, wusste man, dass es ein besonderer Wein sein würde; ein Wein, der Geschichten erzählt; ein Wein, über den Klaus Wagner Geschichten zu erzählen wusste, sodass der am Haustisch zugelassene Gast den ganzen Abend über viel über Winzer, Wein und die Welt erfuhr.
Geboren mit einem untrüglichen Gespür für Qualität, prägte er das “Landhaus Bacher” in Sachen Wein über Jahrzehnte, ließ aber sehr früh zu, dass die Sommeliere und der Sommelier an seiner Seite ihr Weinwissen, ganz abseits seines Könnens, beim Gast präsentieren durften. Das alles war in den 1980er-Jahren nicht selbstverständlich. Ebensowenig wie der Doppelname seiner Frau, Lisl Wagner-Bacher: ausgerechnet der wertkonservative Klaus Wagner wie auch seine Frau leisteten in einem Landrestaurant einen nicht gering zu schätzenden Beitrag zum Fortschritt des Feminismus. Dafür ist beiden nachträglich zu danken.
Klaus Wagner und seine Weinkarte: eine Karte, die in ihrer Tiefe und Treffsicherheit beispiellos war.
Wagner war ein Sammler, oft ein Besessener – aber einer von der gemächlichen Sorte. Seine Liebe zu Bordeaux und großen Toskanern war legendär. Château Latour, Margaux, Cheval Blanc, Sassicaia – in seinen Kellern lagerten sie alle, in Jahrgängen, die sonst nur auf Auktionen oder in den Archiven großer Châteaux zu finden sind. Und dann war da noch die Wachau. Eine Region, die er nicht nur kannte, sondern lebte.
Wenn es jemanden gab, der sich mit den Weinen der Wachau in ihrer gesamten Bandbreite, in ihrer Historie, in ihren kleinsten Nuancen auskannte, dann war es Klaus Wagner. Vielleicht in diesem Umfang, in dieser Komplettheit, nur noch der verstorbene Weinpfarrer Hans Denk – aber das war es dann auch schon. Wagner konnte blind den Unterschied zwischen Achleiten und Singerriedel herausschmecken. Er wusste, welcher Winzer in welchem Jahr mit welchem Problem zu kämpfen hatte. Wenn man ihm “blind” eine fremde, mitgebrachte Flasche öffnete, brauchte er keine Etiketten, keine Hinweise. Er wusste es einfach – welcher Wein das ist.
Seine Weindegustationen waren, trotz Belehrung, keine Belehrungen, sondern Erlebnisse. Man saß an „seinem“ Tisch am Eingang, ein Glas vor sich, und dann begann er zu erzählen. Über das Terroir, über die Philosophie des Winzers, über die klimatischen Bedingungen des jeweiligen Jahrgangs. Es war, als würde er jede Flasche persönlich kennen, als hätte er mit jeder Traube einmal gesprochen. Wer jemals mit Klaus Wagner an einer Weinverkostung teilgenommen hat, verließ den Raum klüger – und meist auch brennend neugierig auf Region und Weine.
Obwohl Klaus Wagner, völlig richtig so, generell sehr auf die positive Einkommensbilanz des Landhaus Bacher schaute, hatte er, an fortgeschrittenen Abenden, seine großzügigen Momente, weil er schlicht Freude hatte, Weine zu öffnen, die damals junge Leute (mich und viele andere junge Gourmands) verblüfften. Wagner wusste, dass wir, die “Lumpen und Luden” aus Medien und Werbung die Klientel der Zukunft sein würden – die Klientel, die wir ja auch wurden. Wagner öffnete Weine nicht, um sich zu profilieren. Er öffnete sie, weil er den Moment zelebrieren wollte. Weil er wusste, dass Wein dazu da ist, getrunken zu werden, und nicht, um in einem Keller zu verstauben. Wer das Glück hatte, an seinem Tisch zu sitzen, bekam nicht zwingend Prestigeweine vorgesetzt, sondern das, was in genau diesem Moment passte. Manchmal eine Flasche aus dem 1855er Classement, manchmal, sehr oft, ein gereifter Grüner Veltliner von Knoll, F.X und all den anderen Mitstreitern seiner Generation, manchmal dann ein zuerst unauffälliger Burgunder, der aber genau die richtige Balance mit der Küche des Hauses hatte.
Sein Weggang hinterlässt eine Lücke, die nicht zu füllen ist – aber auch nicht gefüllt werden muss. Das “Landhaus Bacher” wird jenes traditionelle und liebgewordene Lokal bleiben, das es war und ist. Und sie werden hier weiter nur exzellente Küche (Thomas Dorfer, der Schwiegersohn, leitet die Küche seit Jahren bravourös) servieren, die Weinkarte wird weiterhin mit Bedacht geführt werden – doch ohne Klaus Wagner ist es irgendwie ein anderer Ort. Einer, dem die leise grummelnde, aber immer weinpatriotische Stimme eines Mannes fehlt, der die Weinszene in den 1970er und 1980er-Jahren nicht nur geprägt, sondern sie auf seine Art, besonders für die Regionen an der Donau, definiert hat.
Klaus Wagner war eine Instanz. Und er wird fehlen. So wie uns heute diese Jahre fehlen, als Essen und Wein noch frei von Küchen- und Önologie-Ideologien waren. Ein Gestern verschwindet.