Eric Asimov ist fest angestellter Weinautor und Weinkritiker der New York Times und erreicht in den USA die größte Leserinnenzahl (Männer mitgemeint) in Sachen Wein und Weingenuss. Und nun, gegen Ende des Dry-Dingsbums, der auch in der NYT über Gebühr thematisiert wurde (auch gegen Wein) wagt Asimov seine Alter-Weißer-Weintrinker-Widerstands-Gegenrede. Zaghaft, verglichen mit uns, aber die USA ist halt in Sachen Meinung ein auch gefährliches Land geworden (mehr als ein Shitstorm gegen Winzer und Weinkonsumenten kam aber bislang nie zutage).
Wir wollen Asimovs Text hier teilen; vor allem auch, weil er als zweiter, nach unserer Recherche von letztem Sonntag, auf eine der von uns genannten Studien mit Bezug nimmt. Das hilft den Studien, die ja alle von staatlichen Stellen veröffentlicht wurden, zu mehr Popularität. Ab jetzt können wir sagen: “Steht sogar in der New York Times.” Das wird aber den Gegnern von Wein genauso egal sein, wie die Studien zu Covid den militanten Impfgegnern völlig gleichgültig waren. Egal! Hier der Asimov Text im Original:
“Als das Us-Gesundheitsamt Wein als vermeidbare Krebsursache bezeichnete und empfahl, alkoholische Getränke mit noch mehr Warnhinweisen zu versehen, war ich hin- und hergerissen.
Als Wein- und Lebensmittelkritiker schreibe ich seit 30 Jahren über den Genuss von Wein und empfehle ebenso lange Winzer und ihre Flaschen. Außerdem habe ich, vor allem in den letzten 25 Jahren, versucht, ein gesundes Leben zu führen, mich ausgewogen zu ernähren, auf verarbeitete Lebensmittel und Getränke zu verzichten und regelmäßig Sport zu treiben.
In dieser Zeit habe ich mehr oder weniger täglich Wein getrunken, in der Regel zwei oder drei Gläser zum Abendessen, was die langjährige staatliche Empfehlung von zwei Getränken oder weniger pro Tag für Männer leicht übersteigt, aber für mich moderat und angemessen war.
Die Warnung der Behörde deutete darauf hin, dass ich nicht nur ein riskantes Verhalten an den Tag gelegt, sondern es auch anderen empfohlen hatte. Ich fühlte mich schlecht und defensiv. Wie konnte dieses wunderbare Getränk, das ich liebe, als gefährlich angesehen werden, wenn es mit Bedacht und Vorsicht konsumiert wird? Bin ich dann so etwas wie ein Drogenpusher? Warum nur alkoholische Getränke? Was ist mit den Risiken von zuckerhaltigen Softdrinks oder ultraverarbeiteten Lebensmitteln?
Wir wissen seit jeher um die Risiken, die alkoholische Getränke bergen, wenn sie unbedacht konsumiert werden. Unkontrollierter Konsum kann eine Gefahr für sich selbst und für die Gesellschaft darstellen. Das kann nicht ignoriert werden. Aber auch die sozialen, emotionalen und ästhetischen Freuden, die Wein und andere alkoholische Getränke seit Jahrhunderten bieten, können nicht ignoriert werden. Diese können nicht völlig abgetan werden.
Im Jahr 2023 warnte dieselbe Behörde, verkörpert von Dr. Vivek H. Murthy, vor einer Pandemie der Einsamkeit und sozialer Isolation in diesem Land. Meiner Erfahrung nach war Wein schon immer ein soziales Getränk, ein Bestandteil von Mahlzeiten, die Menschen zusammenbringen und Gemeinschaft schaffen. Ob man Wein nur gelegentlich trinkt oder ihn so sehr liebt, dass man mehr über ihn erfahren möchte, sollte das nicht in die versicherungsmathematische Gleichung einfließen?
Wenn ich Wein trinke, dann fast immer im Zusammenhang mit einer Mahlzeit, mit Essen. Ich glaube, das ist der beste Weg, um die Freuden und die Komplexität des Weins zu erleben. Ich betrachte Wein als ein Lebensmittel, ein Grundnahrungsmittel auf meinem Tisch. Nicht als Element einer pingeligen Speise-Wein-Kombination, sondern einfach als Grundbestandteil einer Mahlzeit.
Das ist historisch gesehen die beste Rolle für Wein, und ich denke, dass die Art und Weise, wie Wein und andere alkoholische Getränke konsumiert werden, weiter untersucht werden sollte. Die Empfehlung der Gesundheitsbehörde unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen alkoholischen Getränken und geht auch nicht darauf ein, wie sie konsumiert werden, ob in Gesellschaft oder allein, mit oder ohne Essen. Darüber würde ich gerne mehr erfahren.
Um es klar zu sagen: Ich habe nie Wein oder ein anderes alkoholisches Getränk getrunken, weil ich glaubte, es sei gut für mich. Nachdem „60 Minutes“ 1991 über das so genannte „Französische Paradoxon“ berichtet hatte, das einen mäßigen Rotweinkonsum mit einer niedrigen Rate an Herzkrankheiten in Verbindung brachte, stiegen die Verkaufszahlen für Rotwein sprunghaft an. Jahrelang profitierte die Weinindustrie davon, dass sie sich selbst als gesundheitsfördernd anpries.
In den 1990er Jahren wurde der mäßige Konsum von Rotwein mit einer niedrigen Rate an Herzkrankheiten in Verbindung gebracht, doch in jüngster Zeit haben wissenschaftliche Studien keine gesundheitlichen Vorteile von Alkohol festgestellt.
Nun, da sich das gesellschaftliche Bild von Wein und alkoholischen Getränken in die andere Richtung gedreht hat, gehen die Verkaufszahlen zurück, und die Industrie (die Weinindustrie ist in den USA weit größer und mächtiger als in Europa) hat sich beschwert. Ich habe nicht allzu viel Verständnis dafür, außer für Personen, deren Arbeitsplätze oder Lebensunterhalt betroffen sind. Wenn die Weinindustrie sich selbst als gesund darstellen wollte, dann hätte sie darauf vorbereitet sein müssen, als ungesund bezeichnet zu werden. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.
Aber sind alkoholische Getränke und insbesondere Wein wirklich ungesund, unabhängig davon, wie und in welchen Mengen sie konsumiert werden? Ich bin weder Wissenschaftler noch Arzt, und ehrlich gesagt finde ich viele der Berichte auf beiden Seiten des Gesundheitsthemas verwirrend und widersprüchlich.
Letzten Monat stellten die National Academies of Science, Engineering and Medicine bei der Überprüfung aller verfügbaren Daten fest, dass mäßiger Alkoholkonsum im Vergleich zu gar keinem Alkoholkonsum mit einer niedrigeren Gesamtsterblichkeit verbunden ist, d. h. mit der Gesamtzahl der Todesfälle in einer Bevölkerung, die auf eine beliebige Ursache zurückzuführen sind.”
Ende Kommentar Asimov.
Und nichts hinzuzufügen!