Supergünstige Alltagsrotweine, die uns wärmen, wenn winterliche Temperaturen Leib und Seele knechten. Wir sind in Spanien. Warum? Weil dort meiner Meinung nach derzeit (und wohl auch noch länger) die interessantesten Rotweine zwischen acht und fünfzehn Euro gekeltert werden.
Wie kommt es zu dieser Entwicklung, die Spanien zum Land der besten gehobenen preisgünstigsten Weine machte? Da gibt es von spanischer Seite viele Erklärungen. Die wesentliche fehlt aber immer: Spanien produziert schlicht viel zu viele Hektoliter Wein. Das war vor dreißig Jahren noch nicht der Fall. Doch dann kam der weltweite Weinboom (der gerade endet), der mit einem spanischen Wirtschaftsboom einher ging. Historisch wird diese Zeit zwischen 1995 und 2010 wohl als die glücklichste Zeit des modernen, demokratischen Spaniens bezeichnet werden; ein Land, was viele heute vergessen haben, das erst zu Beginn der 1980er-Jahre, nach einer Übergangszeit einer nicht gewählten Technokratenregierung, dem Klammergriff der Franco-Diktatur entkam. Wie immer war es dann eine prosperierende Ökonomie, die das Volk von der Demokratie überzeugte. Doch nach jedem Boom kommt ein Absturz. Der von Spaniens Ökonomie war der, der Eurokrise von 2012, die eigentlich schon 2009 begann. Doch zurück zum Wein.
Spanien erweiterte die Anbauflächen für Wein wie kein zweites Land in Europa – vor allem in der Region Ribera del Duero. Diese Seen der Weine, die meisten tatsächlich von solider Qualität, vermochten es aber kaum, die Weine anderer Länder in den Ländern selbst und auch in den Exportzielländern zu verdrängen. Der Inlandsmarkt hat das lange aufgefangen, doch dann kam die Krise. Und spanische Weine fanden sich auf einem Preisniveau wieder, das nur geringe Gewinne verspricht – aber immerhin Gewinne.
Heute will ich über die Weine der Familie Gil schreiben, die mir allesamt nicht bekannt waren, bis ich ein Probepaket bekam, das ist zuerst skeptisch beäugte: zu viele Flaschen mit unterschiedlichen Etiketten; also Winzerware eines Betriebes, der Vielfalt suggerieren will. Doch Fakt ist, dass es sich um verschiedene Weine verschiedener Weingüter in verschiedenen Regionen handelt, die allesamt von der Familie Gil geführt werden. Kann das was?
Und ob, denn alle Weine dieser Familie sind sauber gemacht, geschmacklich nicht hochklassig, aber immer Freude bereitend: ideale Alltagsweine, die man aufmacht und genießt – und die teilweise biologisch und biodynamisch gekeltert sind.
Nehmen wir etwa den Tempranillo Rosario Vera her (mein verkosteter Jahrgang war 2020): ein klassisch schönes Etikett, das nichts vortäuschen will, was nicht da ist; in der Nase schön Kirsche, Cassis, etwas Espresso, Hagebutte, gering Kräuter, keine Minze, dafür aber ein Tick feuchte, dunkle Tabakblätter. Im Mund dann etwas mehr als mittelgewichtig; etwas viel mehr als mittelgewichtig – ein echter Bringer für rund wohlfeile 13 Euro. Gebrauchsanweisung: diesen Wein kann man ruhig noch 10-15 Jahre in den Keller legen. Er hat es verdient.
Ganz wunderbar auch der El Vigia de la Atalaya (ich trank den Jahrgang 2022), ein Garnacha (Grenache) aus der weithin unbekannten Gemarke Almansa, der – und jetzt bitte festhalten – rund sieben Euro kostet. Für dieses kleine Geld habe ich nie einen besseren einfachen Rotwein getrunken. Als Konsument freue ich mich da drüber; als Winzer, der ich auch bin, weiß ich, dass dieser Biowein für maximal 3,50 Euro das Weingut verlässt – und so wirtschaftlich wenig Perspektive für das Anlegen finanzieller Reserven bietet.
Super auch der entre Suleos (oder entrsuleos), bio, 100% Tempranillo und aus Castilla y León, jener Wein der Famile Gil, der den Tick sperriger erscheint, der sich aber nach einer halben Stunde Luft formidabel öffnet. Ich tank den 2020er, man findet ihn am Markt zwischen neun und elf Euro. Hier merkt man, wie lediglich ein halbes Jahr im Barrique einen Wein formen kann. Ein Langstreckenläufer ist er nicht – macht nix.
Wie geht es in Spanien weiter? Nun, auch hier werden schon Rebflächen gerodet. Olivenbäume sollen folgen. Denn – bittere Wahrheit: Die Nachfrage nach Olivenöl ist weltweit ungebrochen. Und es gibt auch keine Überproduktion
Dieser Text erschien zuletzt in abgeänderter Form in der deutschen Sonntagszeitung WELT am SONNTAG.