Bolgheri: Diese weltberühmte Weinregion, mit ihren für den italienischen Weinbau in Sachen Image und Imagepflege wichtigen Ruf, ist auch ein Weinbaugebiet der Toskana: mit dem Piemont die wichtigste Weinbau-Großgegend der schönsten Halbinsel Europas. Doch Bolgheri, diese DOC der Toskana, die wie die gesamte Maremma am Meer liegt, wurde erst Ende der 1970er-Jahre bekannt, hat also, anders als fast alle italienischen Weinbaugegenden, keine Jahrhunderte alte Tradition. Und das ist gut so, denn genau deswegen ging von Bolgheri die einzige wirkliche Weltrevolution in der späten Neuzeit des Weinbaus aus. Wir importieren mit Chiappini also ein paar die für das Weingeschehen wichtige Weine. Nicht nur Italiens, sondern der Welt. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
In der Toskana gab es in den 1970er-Jahren – wie schon all die Jahrzehnte davor – die reichsten und auch wichtigsten Weinbaufamilien Italiens. Ihre Namen: Antinori, Frescobaldi, Mazzei und einige andere mehr. Die altehrwürdigen Clans, teilweise im Adelsstand, machten Wein, wie sie es schon seit Jahrzehnten konnten und kannten: einen einfachen Chianti und eine etwas komplexere auf Lagerfähigkeit angelegte Riserva, die man zum Reifen bis zu fünf Jahre ins große Holzfass legte. Freilich gab es Einflüsse moderner Kellertechnik, diese betrafen aber lediglich die Sauberkeit der Arbeitsprozesse. An der Art der Weine änderte das aber nichts.
Die damals vorwiegend männliche Nachkommenschaft (heute leiten viele Frauen die Betriebe) dieser Familien lebte in den Siebzigerjahren das ausschweifende Leben reicher Erben: Ferraris zu Schrott fahren, am Strand bräunend herumliegen, Cocktails schlürfen, Party machen, dem Nichtstun (offiziell Studium genannt) frönen. Manche dachten gar nicht daran, die Weinbaudynastien zu übernehmen und übten sich als Banker in Mailand oder Paris. Es war eine Existenz zwischen Party und Langeweile. Und das förderte auch den Zorn. Auf die Großväter und Väter. Und wie sie Wein machten. So altmodisch. So fad.
Es kam zum Aufstand. Die neue Generation verlangte umfassende Änderungen. Es kam zu Konflikten, die nicht so schnell zu Ende gehen sollten. Das kapierten auch die Altvorderen und ihre Berater. Und so kam es zur gütlichen Trennung der Interessen – die Jungen sollten ihre Spielwiese bekommen. Und die hieß Bolgheri: die Gegend der trockengelegen Sümpfe rund um das pittoreske Dörfchen in der Nähe von Livorno. Nicht einmal ein Zehntel so groß wie das Chianti-Classico. Und nichtmal halb so schön, wie die Hügel zwischen Florenz und Siena. Doch eine Lösung, ein neues Jerusalem.
Was taten die damals Jungen. Erstens: Sie kreierten Markenweine, die nicht mehr den Namen der Weingüter trugen und auch nicht nach traditioneller Art gekeltert waren. Zweitens: Sie ignorierte das Weinbaugebiet und deklarierten ihre Weine als I.G.T. (Indicatione Geografica Typica), also als Landwein, als einfachster aller Weine. Drittens: Sie holten Design auf ihre Etiketten. Und viertens: Sie tauschten die alten, großen Kastanienfässer gegen neu Barriquefässer. Diese Entwicklung ist richtigerweise seit bald 15 Jahren wieder rückläufig.
Und all diese Geschichte trinken wir nun, und nicht nur auch, mit den Weinen der Familie Chiappini, die sich in ihren Jahren nie vordrängte, wie andere das taten; die vornehm und und ohne großes Gedöns, große Gewächse in ihre Flaschen bringt; Weine wie der Weißwein La Grottine und die Rotweine Ferrugini, Feliciano und Guado de‘ Gemoli. Selbstredend, und das ist der vergessene Punkt fünf in der Aufzählung oben, gewinnen die Chiappini ihre Roweine aus den hier in dieser Weinrevolution auch ansässig gewordenen Rebsorten Cabernet-Sauvignon, Merlot, Cabernet-Franc und Petit-Vedot – der Frucht- und Farbgeber in diesem Bordelais-Mix.
Nein: Bolgheri-Weine sind keine Imitationen von Bordeaux-Weinen, sondern absolut eigenständige Vertreter dieser lange von Alteingesessenen und so genannten Weinpäpsten nicht für voll genommenen Weltweinregion, die Geschichte schrieb. Geschichte die sich selten besser trinken lässt als mit den Weinen der Chiappini, weil die Familie zwar Teil dieser Revolution sein wollte und ist, sich aber nie dazu hinreißen ließ, dem schnellen Geld wegen, Modeweine zu keltern. Und das will was heißen, wenn man auf einem Land lebt, wo man sehr schnell sehr viel Geld mit Wein machen konnte. Eben wegen dieser Noblesse, wegen der Überlegtheit im Keltern, sind die Weine von Chiappini Weine, mit welchen man heute noch richtig überraschen kann.