Liebe deutsche Weinnation..
..dich gibt es gar nicht. Das ist jetzt auch nicht dringend schlimm. Aber ich erlaube mir, auf unentdeckte Nischen und deren Gebiete hinzuweisen. Heute: Das Remstal.
Liebe deutsche Weinnation. Ich will dich daran erinnern, und alle hier gleich mit, dass du noch vor 80 Jahren eine der drei größten und namhaftesten Weinnationen Welt warst. Gemeinsam mit Frankreich und Ungarn. Nichtmal die beiden preußischen Wilhelms, haben deinen Ruf zerstören können, dafür brauchte es einen Österreicher, den Massenmörder aus Braunau (genau 420 Meter weiter westlich, jenseits des Inns, wäre der als Bayer geboren worden) und ein zur mörderischen Massenpsychose fähiges Volk. Wir sollten uns übrigens in Acht nehmen, dass Narrativ der letzten Jahrzehnte fortzusetzen, das Narrativ, das uns sagte: „Sowas passiert nie wieder.“ Sicher ist das nicht mehr
Aber das muss im Politikteil dieser Zeitung stehen, den diese nicht hat. Dass aber das Leben der Bar, das Leben in der Bar, auch Teil des Politteils unseres Lebens ist, das beschreibe ich in meiner anderen Geschichte im Blatt (auf Seite xx).
Deutschland hatte einst drei wichtige Weinregionen: Die Saar (die war die wichtigste), dann die Mosel (incl. das Tal der Ruwer) und den Rheingau (incl. das Tal der Nahe). Dort wurde jene Rieslinge gekeltert, um die sich die westliche Welt förmlich riss. Geschichtlich gesehen hat Deutschland, ein Land, dass sich zwischen 1871 und 1945 weder zum Westen noch zum Osten zählen wollte und mit beiden Weltgegenden fremdelte; geschichtlich gesehen hat Deutschland mit den Weinen dieser Weinbaugebiete das erste Mal den Westen betreten – so wie Ungarn mit seinen Tokajer das erste Mal – und das schon zwei Jahrhunderte davor – den Osten betrat. Wir erkennen: Westen und Osten (auch Frankreich erkannte sich nicht zwingend als Westen, und ist ja nach dem zweiten großen Krieg auch mal aus der Nato ausgetreten) hatten damals keine bedeutenden Weinbaugebiete. Die USA (und Amerika generell, auch das kalte Kanada) haben solche bekommen. Die Russen, die die Möglichkeiten auch hätten, scheint das nicht zu interessieren.
Zurück nach Deutschland. Neben Saar, Mosel und Ruwer gab es natürlich auch schon jene Gebiete, die es heute schon gibt. Und da sind vor allem Franken und Württemberg anzumerken, die die beiden österreichischen Weinbaugebiete Deutschlands sind. Österreich in Deutschland ohne Hitler? Geht das überhaupt? Ja, denn diese Gebiete waren Jahrhunderte lang nicht im Einfluss dieses Soldatenstaates Preußen, sondern im (W)einfluss Wiens und der verkalkten Habsburger, die lieber fraßen, soffen, herumhurten und blöd Rede hielten, anstatt moderne Waffen zu kaufen und diesem anmaßend Pack aus Berlin 1866 bei Königgretz zu zeigen, wo der Bartl den Most holt Ist das jetzt zuviel? Kann aber gugeln. Ober in der Leiste einfach 1866 und Königgretz eigeben. Danke für die Aufmerksamkeit.
Die anderen Weinbaugebiete, also auch Franken und Österreich, produzierten hingegen (und so ist das eigentlich heute noch) nur Weine, die im Großgebiet selber getrunken wurden. Und weil Franken sich die einst rein österreichische Rebsorte Silvaer griff, gibt es in Franken auch nicht solche unnötigen Rotweine wie Trollinger oder Dornfelder.
Und jetzt sind wir beim Eigentlichen, was, wie immer auf meiner geschwätzigen Geschichtsbuchseite, zu wenig Platz bekommt und deswegen als eine Art Wortrap erzählt werden muss; und jetzt sind beim Eigentlichen: bei Rotwein und dem Remstal bei Stuttgart, eine der schönsten Weingegenden Mitteleuropas, was den Deutschen, die für Wein wenig, für Motoröl als viel ausgeben wollen, freilich Blutwurst ist. Was wieder den Vorteil hat, im Remstal keine Heizdecken-Tourismusbusse-Menschenmassen anzutreffen oder gar bewirten zu müssen. Im Remstal läge die Zukunft des Europäische Rotweinanbaus. Läge, die Möglichkeitsform, nicht aus qualitativen Gründen; läge, weil das Gebiet, wo der Kiimawandel, die Klimakatstrophe, für den Weinbau auch Vorteile bringt, also dieses Remstal, leider viel zu klein ist. Was dir, deutsche Weinnation, und auch uns den Vorteil einbringt, dass wir all die großartigen Rotweine selber trinken können.
Deutschland ein führende Rotweinnation? Da wäre ich vor 15 Jahren noch ausgelacht worden, liebe deutsche Weinnation. Doch dieses Remstal zeigt auch – Achtung: es kommt wieder dieses komische Österreich ins Spiel – dass es großartig mit der genial guten österreichschen Rebsorte Lemberger umgehen kann, die eigentlich Blaufränkisch heißt. So großartige, dichte, von Substanz, Geschmack und Eleganz getragene Lemberger (gleiches gilt die die Spätburgunder, die jetzt, richtig so, wieder Pinot Noir heißen) gibt es in Deutschland sonst nirgendwo. Und jetzt kommt es noch besser: Auch außerhalb des Remstal werden in Württemberg großartige Rotweine gekeltert. Einfach nur (für Remstal und andere) die Weingüter Andi Knauss oder Matthias Aldinger angugeln. Oder gleich die VDP-Seite Württemberg (alles andere erklärt sich von selbst). Ich will aber heute auf die Weine des famosen Reiner Schaitmann verweisen, auf seine grandiose „Simonroht“-Rotweinlinie oder auf die Exzellenzlinie „Lämmler“. Das alles, sogar der Einstiegslemberger um 12 Euro erzählen mir, liebe deutsche Weinnation, dass du, lieben deutsche Weinnation, jetzt mit ein paar der besten Rotweine der Welt mitbieten kannst. Auch wenn es, liebe deutsche Weinnation, der Nation egal ist. Kaufen es halt dann „die Ausländer“.