Was zuerst auffällt bei Château L’Evangile: Es gibt keine großen, rühmenden Texte im Netz, die einem bei einer Suche sofort angezeigt werden. Und es gibt einen Wikipedia-Eintrag, der sich nicht an die Spitze drängt, den man sogar erst gezielt suchen muss.
Will man das Château vielleicht als „Große Unbekannte“ festmachen? Für Weine gerühmt, die wir erst entdecken müssen? Tatsache: Die laute Trommel wird für L’Evagile nicht geschlagen. Wahrscheinlich braucht dieses 60000-Flaschen-von-rund-13-Hektar-Weingut auch keine laute Trommel. Trotzdem wollen wir diese jetzt für L’Evangile laut machen. Weil wir von KATE & KON überzeugt sind, dass es hier ein Weingut näher zu betrachten gilt, das nicht nur große, sondern auch ausdrücklich exzellente und gesichert einzigartige Pomerol’ keltert. Verantwortlich dafür sind Oliver Tregolat und Juliette Couderc, die beide die technische Direktoren des Weinguts sind, die Personen für Feld und Keller. Tregolat, der für L’Evangile gesamt Verantwortliche, wurde jetzt von der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ unter die 50 besten Weinmacher Frankreichs gereiht, dort, wo große Namen wie z.B. Guillaume d’Angerville oder Valentine Vitali festgeschrieben stehen.
L’Evangile gehört zum Weingut-Reich der Barons de Rothschild, die am anderen Ufer der Gironde nichts Geringeres als „den Lafite“ keltern, den wir auch handeln; in Österreich exklusiv handeln, wie wir auch den L’Evangile exklusiv aus unserem Keller verschicken – ein festes, stabiles Bündnis, das Beste des Besten vertreten zu dürfen. Evangile ist so etwas wie eine Rothschild-Exklave im Pomerol, umgeben von vielen namhaften Weingütern wie Petrus, Le Pin oder Lafleur – nirgendwo in der Weinwelt außerhalb des Bordelais (Bordeaux) gibt es auf so engen Raum so viele weltbekannte und großartige Châteaus. “Dies ist der goldene Kern von Pomerol”, sagt Olivier Tregoat in einem britischen Blog, „die Landschaft von Bordeaux ist sehr jung, nicht mehr als 100.000 Jahre alt. Die Kiesböden liegen am Rande dieses sehr lehmigen Plateaus. Die ältesten Schotterterrassen hier stammen aus dem Quartär. Sie stellen wegen des ihres Tongehalts ein besonderes Terroir dar.”
Um die weltgeschichtlich bewegende Jahrhundertwende zwischen 18ten und 19ten Jahrhundert, die Zeit, in der Napoleon erster Feldherr Frankreichs wurde, hatte das Weingut bereits eine ähnliche Größe wie heute, als es von den Vorbesitzern, der Familie Léglise, an einen Anwalt namens Hubert Isambert verkauft wurde. Er war es, der das bis dahin weniger bekannte Weingut namens Château Fazilleau auf den Namen L’Évangile taufte. 1862 wurde L’Évangile dann von Paul Chaperon gekauft, dessen Erben, die Familie Ducasse, bis 1990 im Besitz des Gutes blieben. Paul Chaperon machte das Weingut in der Weinwelt über die Grenzen Frankreichs bekannt und ließ sein Château L’Évangile, das dazugehörige Gebäude, im Stil des Second-Empire errichten – zweckmäßig und repräsentativ zugleich.
Louis Ducasse übernahm L’Evangile im Jahr 1957. Und er übernahm ein Weingut in der Krise, das die Frostschäden und den Ernteausfall von 1956 schwer getroffen hatte. Damals war eine andere Zeit und es gab wenig bis keine Banken, die einem bekannten Weingut, so wie heute doch üblich, in schwierigen Zeiten über die Runden halfen. Louis Ducasse bemühte sich also im Alleingang erfolgreich um die Erneuerung der Weinberge und die Wiederherstellung von Rang und Namen – und auch vom Geschäft. Nach seinem Tod, 1982, war es seine Witwe Simone Ducasse, die die Kontinuität von L’Evangile sicherstellte und den damals jungen und vor seiner Weltkarriere stehenden Önologen Michel Rolland engagierte, der dem Weingut verbunden blieb. Tregolat über Rollands Engagement in dem britischen Blog: „Das Terroir des Weinguts, gepaart mit der bekannten Vorliebe Rollands für reife, vollmundige und extraktreiche Weine, hat den Stil von L’Évangile in die heutige Richtung geändert.“
1990 erwarben die Domaines Barons de Rothschild L’Évangile von der Familie Ducasse, die darauf bedacht war, dem Betrieb jene Kontinuität zu sichern, die sie selber zu leisten nicht mehr imstande war. Der Einfluss der neuen Besitzer zeigt sich zunächst in einer verfeinerten Cuvéetierung des Grand Vin und des Kelterns des Blason de L’Évangile – dem Zweitwein des Weinguts. Die 2004 abgeschlossene vollständige Renovierung des Gärkellers und der Reifekeller ermöglichte es dem Weingut, in die önologische Moderne einzutreten, wo es bis heute seinen Platz hat. Oliver Tregolat über die Gegenwart auf L’Evangile: „”Der Lehm hier in Pomerol ist für die sehr tiefe Farbe und den hohen Tanningehalt verantwortlich. Die Weine sind also ziemlich dicht und kompakt. Heute, angesichts der Auswirkungen des Klimawandels, der die Weine noch dichter machen kann, wollen Saskia und Jean-Guillaume (die Verantwortlichen in der Rothschild-Gruppe) die Weine weiterentwickeln. Sie haben uns gebeten, die Dinge mehr in Richtung Eleganz zu lenken, etwas weniger Eiche zu verwenden, mehr in den Reben zu arbeiten und den Zeitpunkt der Weinlese zu ändern.” Und genau das haben Tregolat und Couderc getan.
Pomerol, das bedeutet, dass Merlot und Cabernet Franc die Cuvée regieren – für Olivier Tregolat ist Cabernet-Franc nichts weniger als die „Königin der Weinsorten“. So entstehen seit Jahren auf L’Evangile jene Pomerol’, die diese bedeutendste Unterregion des St. Emilion auszeichnen. “Wir sehen die Unterschiede der Trauben zwischen den Parzellen, aber auch innerhalb der Parzellen”, erklärt Juliette Coduerc. „Als wir etwa die Beeren des 2020er-Jahrgangs verkosteten, konnten wir diese Unterschiede so deutlich schmecken, dass wir danach jede einzelne Parzelle noch weiter unterteilen wollten. So konnten wir Zum Beispiel eine einzige Parzelle von einem Hektar in fünf Teile aufteilen, die wir war alle extra vinifizierten. Wir verkosten die Beeren lieber, as wir eine Analyse zu rate ziehen.“
Im Gegensatz zu anderen großen Weinen der sehr kleinen Gegend, ist der L’Evangile, trotz seiner Singularität in allen Weinjahren und der dank Oliver Tregolat und Juliette Couderc expressiver Handschrift ein verglichen ungewöhnlich günstiger Wein geblieben, der zunehmend ein Liebkind der Sammler wird – auch wenn die Flaschenzahl nicht steigt; auch wenn die Barons de Rothschild hier keine Cash-Cow draus machen. Wir sagen: Es gibt selten eine bessere Bank als L’Evangile. Aber wir sagen auch: Für Spekulation ist dieser Pomerol weit zu gut. Hat man ihn einmal getrunken, dann trinkt man auch alle Flaschen, die man im Keller liegen hat.