Mit Christoph Hammel zu reden ist manchmal mühsam, weil sich der Pfälzische Winzer vor allem gerne selber reden hört: Sternzeichen Mai-Zwilling – wie der Autor dieser Zeilen auch. Aber Hammel zuzuhören hat vor allem einen Vorteil: er spricht aus, was andere denken und ist dabei so populistisch wie Potus Trump (ein Juni-Zwilling), ohne dabei freilich auch nur eine Sekunde so irre zu drehen wie der zweite Bronzeton-Staatschef der Welt (der erste war Silvio Berlusconi). Hammel schaut dem Volk aufs Maul, oder besser in die Kehle, und da kommen dann manchmal Sprüche wie: „Die Deutschen sind keine Rieslingtrinker, sondern Burgundertrtrinker.“ Und mit Burgundertrinker meint Hammel nicht die Elite der Schassanne-Mooraschet-Käufer, sondern jene, die dem einfachen Pinoogritrschoo frönen – dem Grauburgunder oder alternativ dem Weißburgunder; am besten vielleicht beide in einer Cuvée. Und despite of, was Weintrinker von Hammels Weinen halten, liegt Hammel mit dieser Aussage wahrscheinlich ziemlich richtig. A decent glass of wine ist für eine Elite von Weintrinkern ein völlig anderer Begriff als für Weintrinker, die im Supermarkt Wein kaufen oder im einfachen Restaurant offen bestellen.
In/Auf der ersten Weinparty, der alten Neuen Weinparty, haben wir einmal, 2015, in drei Supermärkten (München, Berlin, Wien) Spontanbefragungen durchgeführt, warum die Weinkäufer dort Weine kaufen, welche Weine, wofür, und wofür nicht. Bei den rund fünfzig Befragten kam folgendes Bild raus. Erstens: meistens zum Essen. Zweitens: meistens (es war Sommer) um einfache Weißweine als Spritzer (Schorle) zum Löschen des Nachmittagsdursts zu trinken. Drittens: das Glas Rotwein vor dem Schlafengehen. Alle anderen Gründe fielen in den Promillebereich. Viertens: was dürfen diese Weine kosten? Wien: durchschnittlich 10-12 Euro. München ähnlich. Berlin: durchschnittlich 6-8 Euro. Und wir frugen nie in Discountern.
Was soll der gekaufte Wein können? Erstens: er soll mir/uns schmecken. Zweitens: er soll für Entspannung sorgen. Nachgefragt: Wonach soll er schmecken? Erstens: nach der Frucht der Trauben. Zweitens (und das war erstaunlich): nach dem Holz (gemeint waren Barriques, sowohl bei Rot- wie auch bei Weißweinen). Drittens: ein bisschen nach Urlaub. Terroir? Fehlanzeige. Bis auf erinnert fünf Befragte war allen anderen das Terroir egal – den Wienern aber das Land (Österreich) wichtig. Bei den in München und Berlin Befragten spiele Deutschland als Produzentenland genau null Rolle (was macht das DWI eigentlich?)
Hammel weiß das alles: ein Wissen, das aus dem Ahnen kommt – es gibt Menschen, die einfach richtig ahnen; Hammel ist einer von. Markus Schneider ein anderer. Klaus Peter Keller ahnte richtig und richtig genial, dass SUV-Fahrer (vorzüglich gekelterte) Rieslinge brauchen, die, so wie „Mein Haus, mein Pool, meine Mallorca-Datscha, mein Auto“ (alte Versicherungswerbung aus den Nullerjahren) als Distinktionsmerkmal eigesetzt werden können. Und so schuf er den ersten deutschen Petrus in weiß, inklusive einer Community, die sich über die Weine intensiv austauscht – einer Elite eben.
Aber diese Elite ist zu wenig, einen Markt zu definieren. Sie ist aber genug groß, ein Marktsegment zu beherrschen . Das Gleiche gilt auch für die elitäre Naturweinbewegung. Kluge Mainstream-Winzer, etwa Hammel, Molitor, Niewo (Van-Volxem) oder auch Lageder in Südtirol, haben für all die elitären Bewegungen einen kommentierenden Wein auf Lager (ok: kommentierende Naturweine sind da dann doch selten darunter). Cash machen sie aber mit jenen Weinen, die das Volk der einfachen Weintrinker, die in der neuen Generation-Z schwindende Käuferschicht, trinkt. Und auch dort, in diesen normalen Weintrinkerschichten, gilt Distinktion – kann man gut bei Apps wie Vivino nachlesen.
Die Jancis-Robinsionisten aber (und das ist genau null despektierlich gemeint) stellen lediglich eine kleine, auch teilintellektuelle Käuferschicht dar, die sich meist zu linksliberalen urbanen Elite zählt – und Eliten werden gerade abgewrackt.
Der beste A-decent-glass-of-wine-Wein war Bernhard Otts Grüner Veltliner „Fass 4“. Und zwar damals, als er preislich tatsächlich noch für jederfrau (Männer mitgemeint) erschwinglich war. Die in Foren gerne sich selbst beweihräuchernde Elitetrinker-Elite muss zu Ende denken, dass ihre Elitewinzer nicht ohne Brot-und-Butterweine werden überleben können – außer absolute Garagengüter, die im Jahr 15000 Flaschen zu je 30 Euro ab Hof abfüllen; reich werden die davon aber auch nicht.
Fazit: Es braucht eine neue Fass-4-Bewegung. Und kein elitäres Gekeltere, das vor Jahren sicher im Zeitgeist war. Doch jetzt ist Zeitenwende. Und zwar wirklich!
Völlig richtig. Die Lage ist sehr ernst. Der Alkoholkonsum wird weiter erheblich sinken, was auch positiv ist, und das Interesse an Wein nimmt in der Breite ab, eigentlich schade. Gleichzeitig kapriziert sich eine kleine Gruppe auf Weine, die für viele unverständlich und noch weniger erreichbar sind. Das funktioniert in einer geschlossenen Gesellschaft eine Weile, denn dafür ist das Angebot der gehypten Nischenweine zu gering, aber Geld lässt sich mit dieser Zielgruppe und diesen Weinen dauerhaft nicht verdienen und auch ein Keller voller Keller wird bald keine Freude mehr bereiten, wenn man die alle allein trinken muss und dabei noch komisch angeschaut wird. Der Sekundärmarkt zeigt das schon. Soweit die Erkenntnis, aber, wie soll sich etwas ändern? Die Elite hat als solche daran kein Interesse, sondern genügt sich in Selbstbestätigung in Podcasts, die fast keiner hört und die noch weniger bewegen bzw. verkaufen. Letzteres schafft in Deutschland nicht einmal Konstantin Baum. Vielleicht könnte eine Gastronomie helfen, die nicht vor allem Weine präsentiert, die die Gäste nirgends kaufen können. Dann könnten auch die Preise vielleicht einem Niveau angepasst werden, wie es andere Anbauländer haben, aber jetzt wird es phantastisch. Also wird es keinen Weg zurück geben, sondern in 10 Jahren hat die Hälfte der deutschen Winzerinnen und Winzer aufgegeben, wenn es überhaupt so lange dauert.