Besuch bei einem jungen Winzerpaar in Rheinhessen; Winzer, wie es viele von gibt. Aber: Katharina und vor allem Christian Pitthan haben Wesentliches gut erkannt. Ohne groß Brimborium.
Zotzenheim, Rheinhessen: Hier hat der Weinbau das Aussehen des südöstlichen Weinviertels in Österreich: etwas uninteressante Dörfer, Architektur als hätte Jack Wolfskin vor 30 Jahren auch ein Ingenieursbüro eröffnet. Weine von der Stange, denkt man. Und jene „man“, die das denken, haben nicht so unrecht damit. In dieser Welt des guten aber an Erzählungen armen Weinbaus hat Christian Pitthan die Wineparty geladen. „Wollt ihr nicht vorbeikommen?“ Wollen wir! Und noch die wichtige Anmerkung zum eben erwähnten südöstlichen Weinviertel: Dort werde ein paar der herausragendsten Weißweine Österreichs gekeltert. Von vier Winzern nur – die aber stellen mit auch die Avantgarde des Landes. Aber das ist eine andere Geschichte. Warum sollte diese Geschichte nicht auch am Rande Rheinhessens geschrieben werden?
Speed-Dating, denn die Wineparty ist nur auf der Durchreise. Schnell auf ein Schnitzel mit Kartoffeln und einem richtig guten grünen Salat. Und dann die Weine dieses 34 Hektar-Betriebs kosten: etwa den absolut süffigen Sauvignon 2023. Kostet 9,90 und schrammt mit 8% Zucker knapp am Verlust des Prädikats trocken vorbei. Doch der Wein hat auch etwas Besonderes.
Wie auch der Spätburgunder Rosé (23 Euro) und der pipifein im Tonneau gereifte Chardonnay (17,90). All diese drei Weine wären jetzt alleine sehr guter Durchschnitt der Kelterkunst. Doch das junge und sichtlich verliebte Paar hat sich eines auf die Fahnen geheftet, das es, entgegen vieler Winzer, als wichtig und überlebenswichtig erkennt: wenig Alkohol.
Ja: Da geht natürlich mehr! Denn die Pitthans holen sich vermeintlich das Beste aus allen Welten: sie gären spontan, verwenden aber dann doch Reinzuchthefe mit zu (was dem Sauvignon auch nicht schlecht tut), sie gehen zu wenig auf die Böden ein (hier könnten sie viel von den Zillingers aus dem südöstlichen Weinviertel lernen) und beim Syrah fehlt ihnen noch der etwas genauere Blick aufs Holz. Aber das alles sind Benchmarks, die sie relativ leicht erreichen und zeitigen könnten. Tatsache: Ihrer Region in der Region Rheinhessen fehlt der Signaturwinzer. Und auch wenn die Böden keine Lagenweine hergeben (das tun sie im Südosten des Weinvlertels auch nicht), dann heißt das nicht, dass keine großen Weine möglich sind. Die sind aber nur möglich, wenn man die Exzellenz der Arbeit und der Detailarbeit auf die Spitze treibt. Mühsam. Aber einzig möglich. Wie will man sonst Unverwechselbarkeit herstellen?
Christian Pitthan ist ein Kerl: er redet schnell und spontan, es ist aber gut zu sehen, dass er das Gesagte noch während des Sagens und Redens hinterfragt. „Ist der Standpunkt nun wirklich richtig?“ Nicht immer beantwortet sich Pitthan diese Frage mit ja.
Doch mit einer Aussage hat er völlig recht. Und sie betrifft den wunderbar niedrigen Alkoholgehalt der meisten seiner Weine (10,5- 12,5 Alkohol). Pitthan sagt: „Ich will einen Wein trinken, der einfach gut schmeckt und so wenig Alkohol hat, dass er auch gut runtergeht.” Was Pitthan nicht keltern will, sind Weine, bei denen wir mehr nachdenken müssen als trinken wollen – ein Kopfweinwinzer ist er nicht.
Wie gelingen Weißweine, die mit wenig Alkohol und doch viel Knackigkeit und nicht überbordend Frucht eine Minderheit der Weine verkörpern – eine Minderheit, die jetzt und in Zukunft noch mehr Käufer hat? Wie gelingt ihm ein Werk, von dem Winzer in der Toskana nur träumen können? Muss er was Besonderes für besonders wenig Alkohol machen?
„Nein“ sagt Pitthan, „Meine Methode ist ganz einfach, wir sind vom Klima her die kühlste Ecke in Rheinhessen, angrenzend an die Nahe – etwa 1,5 Grad kühler als die Pfalz. Wir ernten ca 14 Tage später als die Pfalz und ne gute Woche später als der Wonnegau! Katharina nimmt täglich Traubenproben von unseren Weinbergen und misst das Mostgewicht. Somit passen wir das ideale Reifefenster ab.“
Somit passt alles für eine Winzerzukunft und einen Betrieb, in dem das gekeltert wird und noch mehr gekeltert werden kann, was immer mehr junge Weintrinker wollen: Weine, die nicht die Schwere der SUV-Weine der SUV-Trinker haben. Diese Weine, das haben die Pitthans voll verinnerlicht: diese Weine sind das Gestern; eine Welt, der sie nach der Heirat und der Hofübernahme den Rücken gekehrt haben. Jetzt müssen Sie nur mehr springen.