Ich wache auf. Ich bin in Franken. Im Weinbaugebiet Franken, das keiner, außer den Franken selbst, so richtig gut kennt; was daran liegt, dass die Franken ihre Weine vor allem selber trinken. Selbst renommierte Weingüter hier haben bis zu siebzig Prozent Privatkunden und brauchen keine Händler, ihre Weine unter das Volk zu bringen.
Ich wache auf, ich bin in Franken, ich bin in Großlangheim, im Gästehaus des Weinguts Patrizierhof, wo Winzer Björn Grebner zwei beispielhafte Weine keltert, einen Silvaner und einen Sauvignon, zu welchen wir aber erst in der nächsten Folge, in vierzehn Tagen, kommen. Denn jetzt, es ist 8h früh, holt mich Grebner ab, um mit mir ein paar Kilometer zu fahren; von Großlangheim nach Rödelsee, zu seinem Buddie-Winzer Paul Weltner, der seit bald zwanzig Jahre das VDP-Weingut seiner Familie leitet. VDP, das ist eine europaweit einzigartige Verbindung deutscher Qualitätswinzer (im Wortlaut: Verband Deutscher Prädikatswinzer), die in Deutschland immer noch zu wenig Prominenz hat, weil Deutschland sich nicht als eines der ältesten und traditionellsten Weinbauländer der Welt kapiert. Meine alte Leier ist es, sich als Österreicher zu wundern, warum das so ist. Aber ich muss nicht alles begreifen. Es reicht, wenn deutsche Weine schmecken. Und das tun sie sehr gut.
Erst recht die aus Franken. Erst recht die von Paul Weltner. Etwa sein Sylvaner Erste Lage Iphöfer Julius Echter Berg aus 2021 (17 Euro). In der Nase Ananassaft, frische, leicht unreife Mango, gering Kiwi, Quitte, frische Radieschen, Rhabarber, gering Mandarine. Im Mund: griffig, rau, rustikale Eleganz. Das Upgrade zum gleichen Preis heißt Sylvaner (bei Weltner immer mit y geschrieben, wie es in Österreich üblich war, als es diese Rebsorte dort in der Steiermark noch gab) Rödelseer Küchenmeister 2021. Wieder Erste Lage – urkundlich erstmals im 14Jh erwähnt, wieder 17 Euro. Festzustellen: mehr Grip, mehr Eleganz, mehr Coche-Dury – also mehr lecker, so lecker, wie die Weine dieses einstmals so großen, burgundischen Weinguts waren, bevor der seltsame Coche-Dury-Sohn mit seinen politische seltsamen Ansichten das Weingut übernahm. Merke: Schwurbler machen keine trinkbaren Weine. Aber das ist eine andere Geschichte. Zurück nach Franken, zurück zu Weltner.
Das Upgrade zu dessen ersten Lagen ist die Große Lage Hoheleite aus 2021 (38 Euro). Weltner keltert von diesem Weltklasse-Wein nur 2000 Flaschen und lässt das gepresste Lesematerial aus dieser Gewanne des Küchenmeisters lediglich drei bis vier Stunden, und nie über Nacht, auf der Maische stehen. Schmecken tut es aber nach länger. „Nee“, sagt Weltner, denn eine längere Maischestandzeit brächte noch mehr Konzentration und Phenolik, die aber bei Sylvaner und den Gipskeuperböden automatisch immer schon da sei – erst recht bei 40 Jahre alten Stöcken.
Weltner hat aber nicht nur seine großartigen Y-Sylvaner im Keller liegen, sondern auch Rieslinge, Chardonnay’, Scheureben und einen außergewöhnlichen Spätburgunder (Pinot-noir, wieder aus der Lage Küchenmeister) aus 2020 (23 Euro), der in Sachen Minze und Menthol weltweit einzigartig ist. Nichts für Burgunder-Trinker, nichts für Spätburgunderfans von Ahr, Mosel oder Nahe, sondern ein Pinot für eine eigene, sehr auf intensiven Geschmack fixierte Trinkergemeinde. Intensiv und sehr auf Loire gekeltert dann der kühlfruchtige, sehr singuläre Sauvignon Küchenmeister aus 2022. Und ganz großartig Weltners Altweine aus 2013 bis 2018, von welchen er auf gutes Zureden hin auch ein paar Flaschen nach Deutschland und in die Welt verschickt.
Wir besuchen demnächst Andrea Wirsching, die jungen Meyers vom gleichnamigen Weingut, Christian Stahl, Rudolf May, Österreicher, Horst Sauer, das Weingut vom Stein und natürlich auch das Juliusspital, wo Rebsaft die Seele baumeln lässt.