Burgund ist ein seit jeher schwieriges Pflaster, das wie keine andere Weinregion einer genauen Expertise bedarf. Denn im Burgund kriegt man für verglichen wenig Geld sehr, sehr guten Stoff (wenn man weiß wo). Und für viel Geld manch traditionsverbrämten Mist – der aber in den letzten 20 Jahren immer weniger geworden ist. Burgund, ganz klar auch: die wirklichen Spitzenweine, und wir handeln nur solche, sind ein sichere Bank.
So wie die Domaine Hubert Lamy, deren Weine wir jetzt vor uns am Tisch stehen haben? Warum? Weil Oliver Lamy ein wesentlicher Erneuerer der alten Weinbautradition der Region war und ist; weil er kapiert, dass man die Welt des Gestern teils radikal auch mit vergessenen Methoden des Vorgestern reformieren muss, um in seiner eigenen, der Region zugehörigen, önologischen Moderne zu landen.
400 Jahre im Weinbau, doch die Domaine Lamy gibt es erst seit 1973. Das heißt also, dass Hubert Lamy, der vorher mit seinem Vater auf dessen Domaine arbeitet, sich erst aufgerufen fühlte, ein Weingut zu gründen, als die gesellschaftliche Moderne auch in Frankreich radikal Platz Griff. Denn mit der Moderne, hier vor allem die önologische, hat die Domaine Lamy viel zu tun. Sie war und ist nachgerade revolutionär.
Huberts Sohn Olivier, der heute das Weingut leitet, begriff in den späten 1990er-Jahren, dass eine Revolution auch wirklich ein sein muss. Und deswegen holte er alte Methoden wieder vor den Vorhang und experimentiere mit all den neuen Zugängen, die sich auftaten. So begann er zum Beispiel wieder mit der so genannten Dichtpflanzung, die bis zu 20000 Stöcke pro Hektar vorsieht. Was sich zuerst nach Masse statt Klasse anhört, ist in Zeiten der Klimaerwärmung das absolute As. Nicht nur die Rebstöcke weisen eine hohe Dichte auf, auch die Weine schmecken dichter, auch im besten Sinne archaischer. Dem Archaischen begegnet Olivier Lamy mit schon brutaler Gegenwart zeitgemäßer Fasskultur und der Eleganz der Toastings der Fässer. Einmal mehr gilt auch bei Lamy: Wer beide Welten, das brutal Traditionelle und das brutal Moderne gut zusammenführt, der bekommt maximal Grandioses aus seinem Keller in die Flaschen gezogen. Warum machen das dann nicht alle Winzer im Burgund? Weil es eben auch intellektuelle Anstrengung und vor allem Mut zum Risiko bedeutet.
Die Domaine schreibt auf ihrer Seite über sich wie folgt:
„Der größte Teil der Entwicklung des Weinguts fand in den 1990er Jahren statt, als neue Rebflchen gekauft, gepachtet (Clos de la Chatenière, Derrière Chez Edouard, Murgers des dents de Chien, Clos du Meix, Santenay Clos des Hâtes) oder gepflanzt (En Remilly) wurden. Einige Parzellen, die mit Pinot Noir-Reben bepflanzt waren, wurden durch Chardonnay-Reben ersetzt, weil wir der Meinung waren, dass diese besser zu den Bodenverhältnissen passten, etwa in der Lage La Princée.
Olivier Lamy, der zunächst Weinbau und Handel studiert hatte, trat 1995 in das Weingut ein. Bevor er in die Dienste seines Vaters trat, absolvierte er Lehrgänge in verschiedenen anderen Domänen und verkostete Weine aus der ganzen Welt. Mit dieser Erfahrung konnte er neue Ideen und neue Arbeitsmethoden in den Weinbergen und im Keller einbringen.
Heute verfügt die Domaine über 18,5 Hektar Rebfläche – 80 % Chardonnay und 20 % Pinot Noir. Die Reben befinden sich in verschiedenen Appellationen – Saint-Aubin, Puligny-Montrachet, Chassagne-Montrachet und Santenay. Insgesamt gibt es 20 Appellationen und die Domaine produziert etwa 110.000 Flaschen pro Jahr.“
Schon Vater Hubert begann mit der radikalen Ertragsreduktion, die sich mit mehr Stöcken pro Hektar selbstverständlich besser durchsetzen lässt. Sohn Olivier stellte auf biologischen Weinbau um, ohne daraus ein Aufführung des moralisch Richtigen zu machen. Weitere Teile seiner burgundischen Revolution waren und sind nun quasi durchgesetzte Revolutionen im Weinbau. Die höhere Laubwand beispielsweise, der extrem späte Rebschnitt. Und dem Terroir wird Beachtung geschenkt, wie einer Diva, die mit im Haus am Esstisch sitzt.
Olivier und seine Domaine Lamy haben das verschlafene und lange so unbekannte Nest St. Aubin zum Epizentrum eines neuen burgundischen Weinbaus gemacht. Das hat zur Folge, dass namhafte Betriebe aus Burgund heute dort Grund und Boden für Rebstöcke erwerben wollen, koste es, was es wolle. Zu spät.
Die Weine werden spontan in gebrauchten Fässern vergoren, meist Tonneau und keine Barriques, sie haben einen langen Hefekontakt und sind das genaue Gegenteil der toastingverliebten, oft zu oxidativen Spitzenburgunder von vor 30 Jahren noch.
Das alles, das Revolutionäre, das Intellektuelle, das in singulären Weine mündet, das Eigeständige, das Beharrende, all das macht die Weine der Domaine Lamy ideal, auch weil sie die Überzeugung aufrufen, diese Art antiindustriellen Weinbau zu vetreten; ihn mit zu manifestieren und ihn zum Wohle aller, die das Bessere bevorzugen und leben, als Common-Sense durchzusetzen.
Dazu kommt noch das Preiswerte. Sowohl der einfache Bourgogne Blanc der Domaine, der schon außerordentlich hervorragend vom Können und Wollen Olivier Lamys erzählen, als etwa auch die Cru-Lagen Les Frioness, En Remilly oder der Chassagne-Montrachet (Lamy hat auch Lagen außerhalb von St. Aubin) La Goujonne sind Weine, die man sich leisten kann – große Weine zu noch absolut erschwinglichen Preisen, trotz des Hypes.