Ja, es war in Sachen Pietät wohl nicht angemessen, in einem Nachruf auf den Winzer Friedrich „Fritz“ Becker zu erwähnen, dass sowohl der Verstorbene als auch sein Sohn rechtsextreme Parteien oder Formationen unterstützt haben sollen. Zu dem „sollen“ kommen wir gleich nochmal.
Doch ist ein Nachruf dann zu schreiben, wenn der Tod der Person eintritt. Wären die Beckers nur irgendwelche Durchschnittswinzer, so könnten wir sie leichter ignorieren. Nur waren und sind die Beckers grandiose Rotweinwinzer – echte Meister des Pinot Noir. Und deswegen, wegen der Qualität der Weine, ist es wichtig, hier genauer hinzusehen.
„Sollen“: Selbstredend liegen der Wineparty genug Aussagen dritter Personen vor, die das Bild bestätigen. Nach Erscheinen des Nachrufs, der vom Chefredakteur wieder gelöscht wurde (was der Herausgeber absolut nicht begrüßte), wurde die Wineparty mit Hinweisen quasi überschwemmt: beunruhigend in dem Zusammenhang scheint auch ein antisemitisches Smartphone-Videostatement gewesen zu sein, das Becker junior gepostet haben soll, es aber am Morgen danach wieder löschte. Alleine, dass fünf Personen von diesem Video berichten und ihre Schilderungen ohne Absprache Ähnliches erzählen, macht die Anekdote journalistisch zu erzählen würdig. Das Weingut reagierte nicht auf die Bitte nach einer Stellungnahme.
Wein und extremistische Winzer: Das ist nichts Neues. In Österreich ließ sich einst das Weingut Osberger, auch hier gab es keine schlechten oder durchschnittlichen Weine, von akademischen Deutschnationalen dafür feiern, die deutsche Kriegsflagge (WK1) zu hissen – als einzige Flagge vor dem Gut. Extremistische Winzer sind meist rechtsextreme Winzer. Uns ist in all den Jahren noch kein linksextremer Winzer untergekommen, schlicht deswegen, weil eine kollektivierende Ideologie selbstredend keine Befürworter bei bäuerlichen Landbesitzern findet – gut und richtig so. Wichtig auch zu sagen: rechts ist nicht mit rechtsextrem gleichzusetzen. Es war ein Fehler der linksliberalen Medien, den Begriff rechts vom rechten Rand der politischen Mitte in den Extremismus zu drängen. Eine rechte, konservative Sicht heißt nicht automatisch, die Demokratie zu verachten oder sie gar abschaffen zu wollen.
Ja: Wein ist Kultur. Ja: Wein ist Geschichte. Aber Wein ist leider auch immer wieder Projektionsfläche für jene, die sich das „Blut“ dazu denken, wenn sie über „Boden“ sprechen. Vor allem in Sprachgrenzgebieten, wo die Grenze in den Köpfen oft härter verläuft als auf der Landkarte. Wo ein Weinberg nicht einfach ein Stück Land ist, sondern Besitzstand, Ahnenerbe und Bollwerk gegen das vermeintlich Fremde.
Dann wird Terroir plötzlich zur Ideologie, wird Herkunft zum Kampfbegriff – und aus einem Weingut auch mal ein Wahlkampfbüro für Rechtsaußen; so lange, bis der Wein nicht mehr nach den Salzen der Mineralien schmeckt, sondern nach Geschichtsrevisionismus. So lange, bis der Boden schwer wird von den Narrativen, die darauf ausgebracht werden.
Doch Wein ist älter als jede Nation. Die Reben scheren sich nicht um Grenzen, und die Böden unter den Weinbergen haben mehr gesehen als alle Parteifarben. Wer Wein trinkt, trinkt Geschichte – aber nicht die, die von Volkstümelei und Abstammungsfantasien halluziniert wird, sondern die, die über Jahrtausende mit Händen, Schweiß und oft auch helfender Migration geschrieben wurde.
Seit den 1990er Jahren herrscht im Weinbau ein linksliberaler Groove. Das ist keineswegs verwunderlich, denn Wein war und ist mehrheitlich das Getränk der Aufgeschlossenen, der Weltbürger, derjenigen, die Vielfalt schätzen. Doch die Gesellschaft rückt nach rechts, und mit ihr offenbar auch Teile der Weinbranche. Kann ein solcher Wandel über Nacht geschehen? Nein. Kann der Geist des Weins, der für Freiheit und Vielfalt steht, so schnell korrumpiert werden? Ja.
Wir, die Weintrinker, stehen nun vor einer Entscheidung. Können wir weiterhin mit Genuss ein Glas leeren, dessen Ursprung in fragwürdiger Gesinnung liegt? Oder sollten wir genauer hinsehen, hinterfragen und unsere Kaufentscheidungen bewusst treffen? Es geht nicht nur um den Geschmack, sondern um Haltung. Wenn da jetzt wer “cancel culture” plärrt, so hat er nichts verstanden.
Wein verbindet Kulturen, Geschichten und Menschen. Doch wenn der Weinbau von extremistischen Tendenzen durchzogen wird, verliert er seine Seele. Es liegt an uns allen, diesen Entwicklungen entgegenzutreten und den Wein als das zu bewahren, was er sein sollte: ein Symbol für Genuss, Kultur und Offenheit. Der Familie Becker ist eine Umkehr zu wünschen. Alleine deswegen, weil sie dort große Rotweine zu keltern imstande sind.