Ich bin mit dem Zug nach Rheinhessen gefahren. Vor Wein-Achten. Mit dem Zug nach Rheinhessen zu fahren heißt in 95% der Fälle mit der DB fahren zu müssen: jenem Konzern, der es seit 2003 ca schafft, mein Nervenkostüm zu zerschneiden, ohne daraus ein neues, besseres Nervenkleid schneidern zu können – ganz im Gegenteil. Nur nebenbei: Ein solches, pseudoprivatisiertes Schrottunternehmen hätte in Österreich zu einer Regierungskrise geführt – die Ösis kriegen diese aber auch immer gut ohne Bahn hin.
Ich bin nach Rheinhessen gefahren, um eine Reihe Winzer zu besuchen, die ich längst besuchen wollte, darunter auch Kai Schätzel, über den ich ja inzwischen viel geschrieben habe. Heute aber will ich über jenen Winzer schreiben, der mir über Jahre mehrmals im Leben den verschissen DB-Tag gerettet hat: über David Spies.
So wie immer war es auch bei dieser Reise: von Wien kommend hatte der Zug schon vor Augsburg 15 Minuten, in Ulm dann 45 Minuten Verspätung – Anschlusszug weg; Gesamtverspätung 77 Minuten. Also ging ich ins Bord-Bistro des ICE und grapschte mir die -zigstre Flasche Riesling von David Spies, die ich immer dann trinke, wenn die DB in ihr Loch des Weichendefekts oder Stellwerkausfalls fällt – und nicht mehr ausm Loch rauskommt – , also oft. Ich denke, David Spies wird eine noch längere Bestellvertrags-Dauer mit der DB aushandeln können, weil sein Wein eine Art Vademecum (nicht aus Papier) ist, das ich mit mir ins Abteil tragen kann, wenn es hakt. Soll heißen: kaputte DB, her mit Riesling von Spies! Und da werd’ ich nicht der/die einzige sein.
Was mir an dem einfachen Riesling von Spies im DB-Speisewagen immer gefallen hat: wie sehr dieser simple Riesling schon sehr präzise erklärt, was deutscher Riesling kann: also Delikatesse, Frische, schon brutal frische Frische, mit den Salzen des jeweiligen Terroirs (hier mal nur die Böden mit gemeint) zu transportieren. Das macht wach und fröhlich: Rieslinge wie der von David Spies sind Red-Bull für die Klugen, Feinzüngigen – die keine Zuckerjunkies sind.
Spieß Weingut ist ein alter Kahn, der in eine neue Zeit schifft. Zum Beginn gab es was zu Futtern: eine Quiche, die mich begeisterte, ein Genuss – kein Witz – der einen Michelin-Bib-Gourmand redlich verdient hätte. Und dann tranken wir eine Reihe durch, die allesamt gut war – dann einiges auch groß
Weil es nicht anders geht, stehen viele Weine dieser Reihe in drei Wochen in der WELT am SONNTAG, die bei diesen Reisen das Recht auf Erstveröffentlichung des Erkenntnisreichsten und Publikumswirksamsten hat. Aber: Über einen Wein, den mir David Spies DHL’isch nachschickte, will ich hier und muss ich hier unbedingt ein paar Worte schreiben: über seinen mithin echt grandiosen Portugieser Eisenstein aus 2015 (firmierend noch als Weingut Uwe Spies).
Mit Portugieser kann man mich gemeinhin auf die Bäume jagen und bevor ich jenen von Andreas Durst (Fotografenkollege, Winzerkollege, Intellektkollege) trank, hätte ich nicht gedacht, dass aus dieser nicht mal 08/15-Traube je ein g’scheiter Wein gekeltert werden kann. Mit Spiehs Portugieser Eisenstein (nicht der Sergej, sondern der Wein – Klugscheißergambetta) wurde meine unendliche Ignoranz („wer bitte braucht das“) ein zweites Mal gnadenlos vorgeführt und bestraft.
Der Eisenstein 2015 hat Kraft, Finesse, nicht gering Eleganz und paart das noch mit einem Majofleck Rustikalität, dass es mir den Atem raubte. Die Flasche trank ich alleine leer – zur Netflix-Serie (vergessen welche, der Wein blieb aber in Erinnerung) -, und war nur glücklich an diesem Abend, einen derart leckeren, abnormal normalen Wein getrunken zu haben.
Und weil mich Spieß so unglaublich unspießiger Portugieser derart an große, einfache französischen Weine (und nicht an Österreicher, Italiener oder Ungarn) erinnerte, schreibe den Schlussabsatz in jener Sprache, um die sich dieser Wein verdient macht:
Demandez donc à David s’il y a encore quelques bouteilles du 2015 en vente au domaine. En stock, pour ainsi dire. Et peut-être d’autres raretés. Je le ferai. Et d’autres seulement s’ils copient ces lignes sur le serveur. Sans déchiqueter.