Es gilt, über die besten, traditionellen Sauvignons zu sprechen. Und die kommen nicht aus der Südsteiermark, sondern aus dem „Fümee“. What? Keine Sorge, ich erklär’s gleich.
Doch zuerst mal, tataaa: Die Wiederkehr von Klassik und den Klassikern in Kulinarik und Weinbau. Und wahrscheinlich auch in der Barwelt, aber da haben andere mehr Ahnung als ich.
Also: Nach Zeiten modischer Unruhe bei Trinken und Essen, die auch eine stupende Moderne einkehren* (*zufälliges Wortspiel) ließ, tritt nun Besinnung ein. Und die Reform der Klassik, die nicht so heißen darf, denn „reformierte Klassik“ klingt nach stupender Langeweile. Also nennen wird es: „Comeback des Besten aus dem Westen“. Blicken wir in die 1970er zurück, also in jene Jahre, die uns heute fälschlicherweise als Paradies serviert werden, weil es damals keine SUV’s gab, kein Artensterben und auch keine Malle-Sangria-Kübelsauf-Touris. Das einzig richtig gute der 1970er waren aber Punk und die Berliner Mauer.
In den 1970ern gab es viele Krisen, aber keine Krisen in Sachen Kulinarik – ganz im Gegenteil. Von Frankreich her eroberte die Nouvelle Cuisine die Welt der Küchen und beseitigte die damals fast hundert Jahre alte Küchenkultur Escoffiers. Escoffier: das waren Menüs, die zum Beispiel im Londoner Grill Room des Hotel Savoy, von mehr als 60 Köchen angefertigt wurden. Nach einem 16-gängigen Escoffier-Menü konnte die Pfeffersack-Essbagage kaum mehr stehen. Gehen ging gar nicht mehr und so wurden sie gleich im Hotel schlafen gelegt. Stop!
Total off-topic, eine Geschichte zum Hotel Savoy. Und zum Hotel Elephant in Weimar. Der Grill Room und das Savoy waren damals ja Churchills War-Room (eigentlich Rooms), und als Churchill in den Rooms ruhmreich siegte, da köpfte er eine Flasche Pol-Roger-Schampus – auch so ein Klassiker. Das Savoy wurde in den Neunzigern renoviert und die Drehtür am Eingang flog raus – jene Drehtür, durch die Churchill im Krieg unzählige Male gegangen war. Das hörten die neuen Besitzer des Hotels Elephant in Weimar, ein Hotel, das „Herr Hitler“ (Neville Chamberlain – den kann man gugeln) gut gefiel. In Weimar, wo es auch heute viele Nazis gibt, kaufte man also diese Tür, renovierte sie und baute sie im Elephant ein. Damit „Herr Hitler“ (Neville Chamberlain – den kann man gugeln) in seinem inexistenten Grab rotiert. Das finde ich eine Großtat des Widerstands, die mehr wiegt, als hunderte Sophie-Scholl-Schulen (nein: die Leistung der Geschwister Scholl soll hier keineswegs geschmälert werden).
So, zurück aus dem off-topic: Die Nouvelle-Cuisine war schlichter und schlicht besser. Ihr revolutionärer Grundgedanke war, dass am Teller nur ein Roti und maximal zwei Beilagen (meistens nur eine) zu liegen kommen. Und dass die Grundprodukte maximale Qualität haben müssen. Diese Nouvelle-Cuisine is heute freilich auch wieder Klassik. Also feiert sie ein Comeback, das aber nicht so heißen darf – Grund, siehe oben.
Dies Nouvelle-Cuisine brauchte aber auch neue Weine. Und nicht den alten Claret-Schaß aus Frankreich, den ausschließlich britische Weingreise der Welt empfohlen. Dieser Kamarilla Distinktionstrinker machten kalifornische Winzer aus Napa und italienische Winzer aus Bolgheri (Toskana, kann man gugeln) den Garaus. Und ein damals junger Weinkritiker namens Robert Parker.
Schnelldurchgang: Ab den 1990ern beherrschten Moden die kulinarische Welt – das hatt es noch nie gegeben. Zuerst die Fusionsküche, dann die tatsächlich interessante Molekularküche und zuletzt das Elend der als ethisch einwandfrei deklarierten und deklinierten Nordic-Cuisine, die uns eine die vielfältige Einfältigkeit auf die Teller „zauberte“. Nun sperrt auch das fade Noma zu – endlich!
Bei Wein war es ähnlich. Nur dass hier gleich das Ethische obsiegte, das, und das ist gut so, auch den biodynamischen Weinbau zum Durchbruch verhalf. Denn was die Winzer vorher in den Weingärten spritzten, war reines ökologisches Gift. So kam die Autochthonwein-Bewegung, die Orangewein-Bewegung, die dann in der Naturwein-Bewegung mündete, die extrem widerlich-elitäre Messen, wie die „Raw“ in die Weinwelt husteten. Kulinarik und Weinbau müssen sich also heute von diesen neuen Eliten befreien und sich auf das besinnen, was in den 70erJahren begann und in den Nullern dieses Jahrtausends verloren ging: das Demokratische.
Im Weinkonsum bedeutet das, dass man sich an Weinbaugebiete erinnert, die in den Moden verloren gingen; an Weine, die aus dem Handel verschwanden. Ein solches Gebiet, ein solcher Wein, ist der Puilly Fumè, ein Sauvignon von der Loire, der ungleich besser, gewichtiger und größer ist, als die Plörre aus der Nachbarschaft: der Sancerre, der bei bessergestellten Ungebildeten punktet wie der nichtssagende „Pino Gritschoo“.
Kaufbefehl heute: Der große, einfache, rauchige, senfige, cremige, mega-elegante Puilly-Fumé Klassiker „Les Beaudieres“ 2019 der Winzer von Caves de Puilly. Der kostet quasi nichts und ist die Drehtür zu anderen großen Weinen, dieser geografisch kleinen Region. Hier sind wir angekommen. Im der reformierten Klassik, die nicht so heißen darf. Grund: siehe oben.