Fünfzehn Jahre sind kurz und lang zugleich. Wie lang, das zeigen meine ersten Schaumweinempfehlungen in DIE ZEIT aus 2009. Erstaunlich, was ich damals trank. Am Erstaunlichsten der Blaue Wildbacher aus dem Veneto. Gibt es diese Weine noch? Proof & talk!
Vouvray Brut,
Domaine de la Rouletière-Gilet
Diese Art Schaumwein kennt man in Deutschland kaum. Und auch im Herkunftsland Frankreich macht sie nur einen Bruchteil der Schaumweinerzeugung aus. Der Vouvray kommt aus der gleichnamigen Weinregion an der Loire und wird aus Chenin-Blanc-Trauben gekeltert. Chenin Blanc ist eine komplizierte Sorte, die nach einer intellektuellen Winzerhand verlangt. Dieser relativ trockene Sekt (für 12,80 Euro bei karstadt.de) duftet ausgeprägt nach Birne, reifer Stachelbeere, etwas Pfirsich, Haselnuss und feuchtem Bauernbrot. Im Mund ordentlich Fülle und Cremigkeit mit einem langen Finale – eine ungewöhnliche und angenehm ordinäre Exotik.
Reichsrat von Buhl,
Sekt vom Weißburgunder, trocken, Dosage Zéro
Tenuta Col Sandago,
Wildbacher Rosé Brut
Der wohl seltsamste Schaumwein in dieser Aufzählung. Er braucht Genießer, die auch mit etwas bitteren Tönen zurechtkommen – und mit Säure. Das liegt am Blauen Wildbacher, einer roten Rebsorte, die vor allem in der österreichischen Weststeiermark wächst und dort für den elend sauren Roséwein Schilcher verantwortlich ist. Martino Zanetti hat den Wildbacher in das Veneto geholt. Hier bekommt er mehr Sonne und Fruchtigkeit. Und Zanetti keltert das, was diese Traube am besten kann: einen dramatisch nach Himbeeren duftenden Sekt (für 15,80 Euro bei karstadt.de) erzeugen, bei dem sich Säure und Kraft in der Balance halten. Endlich hat sich jemand getraut, aus dieser Pöbel-Traube ihre Eleganz zu pressen.
Grand C Brut,
Crémant d’Alsace
Der Grand C Crémant ist eine Gemeinschaftsproduktion zweier elsässischer Weinunternehmer, die mit dieser Marke den etwas angestaubten elsässischen Schaumwein in die önologische Moderne führen wollen. Der Grand C ist also alles andere als ein handgefertigter Winzersekt; er ist eine Kopfgeburt, abgefüllt in hochwertiger Weinindustrie. Das macht zuerst einmal misstrauisch, doch dieses Misstrauen verfliegt, sobald man die Nase in das Glas steckt. Zitrusfrüchte dominieren, dann folgt die Frucht kleiner, brauner Birnen. Eindeutig ein Weißburgunder. Und elegant. Die Eleganz wird von einem nicht allzu kräftigen Körper getragen, der sich aber gut mit Schmalz eingecremt hat. Ein extrem sauberer Wein (für 18,90 Euro bei sansibar.de), dem vielleicht ein Hauch Individualität fehlt.
Bellavista Franciacorta,
Cuvée Brut
Die norditalienische Region Franciacorta (zwischen Verona und Bergamo) sollte einst die Champagne Italiens werden. Und es gibt auch viele Ähnlichkeiten, etwa die dort gezogenen Rebsorten (Pinot Noir und Chardonnay) oder die langen Lagerkeller. Jener von Bellavista misst etwa fünf Kilometer und wirkt wie ein ordentlich gepflasterter Bergwerksstollen. Diese Größe zeigt, dass auch die italienische Schaumweinproduktion auf Menge setzt. Das heißt hier aber auch Qualität, und Bellavista sieht sich selbstbewusst als besten Schaumweinbetrieb Italiens. Hier wird neben diversen teuren Jahrgangssekten auch die einfache Cuvée des Hauses abgefüllt, ein knochentrockener Wein, aus Chardonnay, Pinot Noir und Weißburgunder verschnitten. Ein wunderbar elegantes Getränk, ein Duft nach reifer Zitrone und hellem Stein, ein Geschmack nach Mandarine, Veilchen und Wiese. Der Bellavista Brut (für 25,90 Euro bei weinhalle.de) ist so dramatisch italienisch, dass man sich nach dem Genuss sofort einen schmal geschnittenen Anzug von Armani kaufen will. Bella Figura.
Champagner Cattier Premier Cru Brut
Cattier ist ein altes Familienhaus in der Champagne, das vor einigen Jahren auf die Idee kam, einen überkandidelten Prestigechampagner namens Armand de Brignac auf den Markt zu werfen. Dieser Champagner ist der teuerste der Welt. Und er ist ein ganz großer Bluff. Umso erstaunlicher, dass der einfache Champagner des Hauses (für 33,50 Euro bei gourmondo.de) wirklich gut schmeckt. Und noch dazu günstig ist. Ein sehr weiniger, sehr cremiger Schaumwein aus Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay, der nach reifen Zitronen und Orangen riecht und im Abgang seltsamerweise auch nach Pflaume schmeckt. Wunderbar einfach.
Champagner Esterlin
Sélection Brut
Der Esterlin Brut ist ein gerader, klassischer Champagner aus Chardonnay, Pinot Meunier (je 40 %) und Pinot Noir. Das Besondere ist die Kombination der beiden bestimmenden Trauben. Chardonnay ist ja nicht außergewöhnlich, aber dass der Pinot Meunier (in Deutschland als Schwarzriesling bekannt) hier zum Hauptdarsteller wird, verwundert. Das bringt dem Wein zwar eine größere Komplexität und auch mehr Kraft, hält aber offenbar die Cremigkeit gering. Die Zitrusnoten werden von duftigen Kräutertönen begleitet. Einfacher, großer Stoff. Nur über Österreich zu bestellen (für 27,24 Euro bei feineweine.at).
Champagner Bollinger Special Cuvée
Die Vorzüge dieses Klassikers kann man in einem Satz zusammenfassen: Er ist der „weinigste“ aller Champagner. Bei Bollinger steht eindeutig der Grundwein (60 % Pinot Noir) im Vordergrund, er besticht schon in der Nase: Biskuit, etwas Champignon, Vanille, Limone, ja sogar Kamille und Rosenwasser kann man riechen. Im Mund dann eine extreme Cremigkeit, danach ein sauberer, angenehm unaufgeregter Abgang. Dieser Champagner (für 45 Euro bei weinart.de) sollte nicht als Aperitif, sondern zum Essen getrunken werden. Er hat es verdient.
Champagner Gosset Grande
Réserve Brut
Die Grande Réserve (für 39,99 Euro bei galeria-kaufhof.de) setzt auf Frische und eine lebendige Perlage. Der Gosset kommt, anders als der Bollinger, nicht breit, sondern auf das Wesentliche reduziert daher. Der Wein ist ein Verschnitt aus zwei Jahrgängen; Chardonnay und Pinot Noir bestimmen eher untergeordnet den Geschmack. Zitrusfruchtig, leichtfüßig, kühl: Hier regiert die Kellertechnik. Das soll nicht heißen, dass die Grundweine des Gosset nur eine untergeordnete Rolle spielen. Aber die Marke verspricht seit Jahrzehnten reines Prickeln. Dieses Versprechen hält sie auch.
Endlich im Himmel. Für viele Champagnertrinker ist Krug die beste Marke der Welt. Eine der teuersten ist sie ganz bestimmt. Doch Vorsicht: Wer für viel Geld viel Cremigkeit und Fülle erwartet, der kann von Krug enttäuscht werden, denn diesem Produzenten geht es vor allem um maximale Eleganz. So zeigt der vor einem Jahr in die Flasche gebrachte Vintage 1998 (für 259 Euro bei karstadt.de) kein bisschen Morbidität, wenig Biskuit und kaum Creme oder Fülle. Dafür aber eine enorme Frische und Delikatesse. In der Nase viel Grapefruit, Zitrone, etwas Minze und Birne. Im Mund dann auch Espresso und Akazie. Großartig. Aber sehr individuell. Und kühl wie der Winter.