(Foto: vor allem ältere Menschen sollten jetzt viel trinken. Um zu ertragen, dass sie ihre Welt grad schrotten)
Die Welt ist ein Saustall! Und keiner mistet aus. Es brennt. Im Nahen Osten, in der Ukraine, in den USA, in den Medien. Das Klima ist ein Totalschaden, die Börse ein Glücksspiel, und in Berlin regiert bald eine Schuldenkoalition, die sich bemühen wird, das Richtige zu tun – Schwerpunkt auf Bemühen. Das Einzige, was uns dieser Tage bleibt, ist das Glas in der Hand. Und da muss der Inhalt dann schon stimmen.
Die Weinparty empfiehlt folgende fünf Weine, die den Wahnsinn für ein paar Stunden erträglicher machen:
Eins: Sauvignon Blanc Grassnitzberg Riff 2023 – Tement (Steiermark, Österreich)
Die Steiermark ist kein Ort für echte Kitschromantik, auch wenn der erste Eindruck diesen Eindruck zulässt. Die Gegend ist kantig, wettergegerbt, brutal schön – so brutal schön wie dieser Sauvignon Blanc. Keine dieser parfümierten Fruchtbomben aus Neuseeland, sondern ein Wein, der nach nassem Stein, weißen Blüten und salziger Brise riecht. Der Grassnitzberg ist eines der Hochämter kalkigen Bodens. Das ist kein Sauvignon, das ist eine glasklare Naturgewalt. Trinkt sich, als würde man mit einem frisch geschärften Rasiermesser durch Butter schneiden. Perfekt, um sich in den Abend zu trinken, während draußen der nächste Protest eskaliert.
Zwei: Châteauneuf-du-Pape – Vieux Télégraphe 2015 (Rhône, Frankreich)
Es gibt Orte, die sich mit der Welt nicht mehr beschäftigen (die Welt sich aber mit ihnen). Das Châteauneuf-du-Pape ist so ein Ort. Und der Vieux Télégraphe ist sein flüssiger Botschafter. Die Reben graben ihre Wurzeln durch eine meterhohe Schicht aus Steinen, als hätten sie ein Abkommen mit der Hölle. Das Ergebnis ist ein Wein wie ein politisches Manifest: dunkle Frucht, Tabak, Kräuter, ein Hauch von wilden Kirschen auch – Wildheit galore. Keiner dieser glattgebügelten internationalen Weine, sondern einer, der sich nicht anpasst, nicht Mainstream ist und nie Mainstream sein will. Wer mit diesem Wein im Glas und in der Hand nicht zumindest für einen Moment glaubt, dass es noch Hoffnung gibt, der hat ohnehin aufgegeben.
Riesling Kabinett 2022 – St. Urbanshof, Nik Weis (Mosel, Deutschland)
Die Welt ist viel zu trocken geworden. Nicht nur klimatisch. Auch in den Köpfen. Nik Weis macht Kabinettweine, die daran erinnern, dass Leichtigkeit keine Sünde ist. Riesling von der Mosel, mit genau dem Zucker, den die deutschen Spießbürger seit Jahren zu verteufeln versuchen. Aber Weis kümmert das nicht. Sein Kabinett schwebt über der Realität wie eine Bach-Symphonie: grüne Äpfel, ein Hauch Petrol sogar, ein Messer aus Säure, das den Rest der Welt einfach wegsäbelt. Trinkt sich am besten mit guten Freunden und schlechter Nachrichtenlage.
Colheita Port 2008 – Dirk Niepoort (Douro, Portugal)
Es gibt Dinge, die mit dem Alter besser werden. Menschen gehören meist nicht dazu. Aber dieser Port schon. Dirk Niepoort ist der Typ Winzer, der die alten Werte bewahrt und trotzdem mit jeder Faser gegen die Lethargie der Weinwelt ankämpft. Sein Colheita ist ein zur Topreife gebrachter Portwein, der in alten Fässern Jahrzehnte verbringt, bis er das perfekte Gleichgewicht zwischen Süße und Würze, Frucht und Nussigkeit erreicht. Flüssige Zeitkapsel, Erinnerung an eine Welt, in der noch nicht alles im Eimer war. Großartig altmodisch zu einer 20tes-Jahrhundert-Zigarre – oder einfach zur Erkenntnis, dass morgen wieder alles schlimmer sein wird.
Blanc de Blancs – Louis Roederer (Champagne, Frankreich)
Es gibt Champagner für Leute, die Champagner bestellen, weil sie glauben, Champagner bestellen zu müssen. Und dann gibt es Roederer. Dieser Blanc de Blancs ist so klar und präzise wie ein Haiku in der Morgendämmerung. 100% Chardonnay, lange auf der Hefe – von einem Haus, das sich nicht mit Mittelmaß aufhält. Hier gibt es kein überdosiertes Zuckerlwasser, sondern Kreide, weiße Blüten, geröstete Mandeln – und kein Brioche. Das hier ist kein Schampus für Pseudo-Promis wie dieser unsäglich Armand de Irgendwas; das hier ist ein Wein für Menschen, die verstanden haben, dass die Welt auch mit Sprudel im Glas ein kaputtes System bleibt – aber sich verdammt nochmal trotzdem ein paar schöne Momente verdient hat.
Fazit:
Die Apokalypse ist nicht mehr aufzuhalten. Aber sie lässt sich in Würde begleiten. Mit diesen fünf Flaschen kann man dem Untergang ins Gesicht lachen. Zumindest, bis der Kater einsetzt.