Erstens habe ich Jens Windisch kennengelernt, also in echt so, von Person zu Person, als er Die Goldene Rebschere des Vinum-Magazins auf Schloss Castell in Franken erhielt – eine Veranstaltung, in die sich Wineparty vor Ort skrupellos rein reklamierte. Dann haben wir dem Windisch, der zwar die Urkunde mitnahm, den Scheren-Pokal aber vergaß, diesen Scheren-Pokal geklaut und beim Winzer Björn Grebner im Wohnzimmer geparkt – im Flaschengeschirr, zwischen Vodka und Eierlikör. Danach haben wir für Fotos Straßensperren gegen diesen Diesbeszug vorgetäuscht und wollten so ein Stück, fad im Schädl, Satire kreieren – ganz am Beginn der Wineparty, im Dezember.
Nur hat Jens Windisch nicht so ganz kapiert, wie man die Erregungsschraube in Social Media hochdreht. Und so schlief die ganze Sache sanft wieder ein. Verschlafen haben wir dann drei Wochen später die Goldene Rebschere kopiert und die Kopie (poliert) an Windisch geschickt. Das Original steht freilich immer noch bei Grebner im Flaschengeschirr.
Zweitens ist der Silvaner eine eigentlich österreichische Sorte – wenn wir denken, dass die Steiermark etwas mit Österreich zu tun hat. Hat sie aber nicht: denn die Steirer sehen besser aus und können das Dreifache saufen wie der Rest des Landes.
Die St. Eeiermark (Wiener Schmäh) ist Avantgardeland auch in der Wahl des Führungspersonal (die Hauptstadt Graz wird kommunistisch regiert, das Land hingegen von gemäßigten Rechtsextremisten). Ein ganz seltsamer Beute-Steirer war Erzherzog Johann von Österreich, ein Habsburger, der gerne mit bürgerlichen Töchtern vögelte und auch sonst total gesellschaftsliberal war und darob gut erkannte, dass andere der Ösi-Monarchie vorstehen sollten – obwohl sein Anrecht, Habsburg nach Napoleon zu führen, kein geringes war.
Johann hustete Wien was und okkupierte in seiner St. Eiermark auch den Weinbau, indem er – aus Frankreich zurückgekehrt – eine Weinbauschule hinstellte, die es heute noch gibt. Und Johann sagte: Alles, was hier und heute in den Weingärten wächst, muss Chardonnay (für den bis heute die Ursprungsbezeichnung Morillon verwendet wird), Sauvignon, Muskateller und Pinot Noir weichen. Darunter eben auch der „Grüne Sylvaner“, wie er in der Steiermark hieß (wo es heute nur mehr wenige Hektar von gibt), den es anderswo im europäischen Weinbau zur gleichen Zeit massiv nur in Franken gab.
Und so wurde Franken zum Silvanerland.
Drittens hat Jens Windisch vom Weingut Werther-Windisch die Goldene Rebschere für einen Silvaner-Sekt bekommen – zu dem dann gleich. Wir haben uns hier im Berliner Wohnzimmer aber noch andere Silvaner von Windisch angesehen, Silvaner aus Mommenheim in Rheinhessen – Windisch spricht da vom „Hinterland“, von der Gegend weg vom Rhein.
Den Silvaner vom Kalk 2022 zum Beispiel. Die Hawesko schreibt: „ein Wein, der die Essenz des Kalkbodens in Rheinhessen einfängt. In der Nase entfaltet er eine mineralisch-würzige Charakteristik, begleitet von dezenten Anklängen gelber Früchte, Fenchelgrün und erdigen Noten.“
Nunja: Wir tranken einen der leichtfüßigsten (im positiven Sinn) Silvaner je getrunken. In der Nase viel Wiesenkräuter, dann das gelbe Plastikspielzeug am Strand in der Sonne, danach Nashi-Birne, etwas Sushi-Reis (mit gering Reisessig) und ein Tick Steinobst. Im Mund und an einen vorzüglichen Gutedel aus Luxemburg erinnernd: 89/100 Punkte.
Jetzt der Silvaner Harxheim-Lieth 2021, eine Parzellen-Lagencuvée. Der Falstaff schreibt: „ein Wein, der die Sinne auf eine Reise schickt. In der Nase zeigt er reife Apfel- und Walnussaromen, die sich ohne Aufdringlichkeit präsentieren. Am Gaumen entfaltet sich eine dichte Struktur mit einer subtilen Cremigkeit, die von einer straffen Säure begleitet wird. Die Aromen von Pfirsich und Aprikose fügen sich harmonisch ein und verleihen dem Wein Tiefe und Komplexität.“
Nunja: Wir tranken einen wieder sehr leichtfüßigen, ja beschwingten Silvaner, der absolut großartig zu Fisch passt. In der Nase erneut dieser Tick Sushi-Reis, dann ein Hauch Austernpilze, danach ordentlich Nuss und Birne, gering Quitte, gelbes Plastikspielzeug, gering Aprikose, sehr gering, aber da: Hagebutte. Im Mund brav Wumms. Und nochmal: ein absolut großartiger Essensbegleiter: 92/100 Punkte.
Zuletzt der Sekt, der die Goldene Rebschere gewann: der Silvaner Sekt 2016 Brut Nature. Wir tranken eine absolut kompromisslose Ansage an alle, die glauben, Silvaner könne im Sektbereich keine Größe darstellen – wir reden von wirklicher Größe.
In der Nase: Kalkstaub, Kreidenstaub eher, grüner Apfel, etwas Quitte – nichts Parfümiertes, nichts Überladenes. Stattdessen eine riechbare, karge, fast salzige Meerwasserfrische: hier wird nicht gekuschelt.
Im Mund dann Druck. Straffe Perlage, präzise Säure, keinerlei Zuckerzugeständnisse – und trotzdem irre trinkfreudig. Etwas geröstetes Brot, Haselnuss, Aprikose, gering Pfirsich und Birne. Groß: 96/100 Punkte