Als ich das hier zu schreiben begann, zu Mittag eben, da stand eine Flasche Riesling von Lisa Bunn auf dem Tisch – easy und vorzüglich. Dann aber köpfte ich eine Flasche Rausch VDP Große Lage 2022 vom Weingut Forstmeister Geltz-Zilliken an der Saar. Rausch ohne Rausch, denn der Wein ist (war: denn jetzt „sein wie eine Flasche leer“ – Giovanni Trapattoni) ein Kabinett, ein großartiger, klassischer Kabinett, delikat, bekömmlich (zu dem Wort dann morgen mehr), fein salzig, geschliffen – und – wie es sich gehört – auch mit einer präzise hingearbeiteten, noblen Restsüße.
Nachdem die ganze Flasche schon vor dem Ende dieses Absatz leer war (dazu ein Curry gegessen – freilich selbstgemacht), ging es mit dem Schreiben problemlos weiter. Der Grund: nur 8% Alkohol – ein Alkoholgehalt, der mit Essen im Bauch quasi wirkungslos verdampft.
Lisa Bunns Riesling hätte mir einen kleinen „Schwüü“ verschafft – Wienerisch für kleine Berauschung. Deswegen trinke ich den zum Abendbrot (etwas, das für einen Ösi immer seltsam sein wird) weiter.
Warum, fragen sich alle in der kleinen Redaktion hier, wurden so genannte Kabis (Kabinettweine) in dieser leidlichen Alkoholdiskussion nie als Argument benutzt – nie als Konterstrategie in Spiel gebracht?
Denn:
+) Es gibt weltweit keine anderen auf natürliche Weise im Alkohol nieder gehaltenen Weine wie Kabinettweine, die ja teilweise schon bei 7% anfangen und bei ca 10% enden (sollten).
+) Kein anderer Wein ist ein besserer Lunchwein.
+) Keine anderen Weine – obwohl sie ja stets auch als Einstiegsweine in die Welt der fruchtsüßen Auslesen, Spätauslesen, Beerenauslesen gedacht waren – haben so ein präzise selbstgewisses Weinbild – etwas extrem Singuläres, das es in der Weinwelt selten gibt.
+) Kein anderer Wein als Kabi wird dem Riesling derart gerecht. Was null heißt, dass trockene Rieslinge das nicht auch tun. Aber in den Jahrhunderten vor der Trocken-Moderne, war der Kabi der ausdrucksstärkste Vertreter des Rieslings und seiner deutschen Böden – ein weltweiter Exportschlager.
Vorbei!
Warum?
+) Weil der Kabi kaum mehr Platz findet, zu einem Essen Platz zu nehmen.
+) Weil Fruchtsüße für ein Weinbau-Gestern steht, das man überwinden will.
+) Weil niemand mehr zum Lunch einen Kabi trinkt (weil niemand mehr anständig Mitttag isst – auch auswärts)
+) Weil der Kabi keine Lobby hat.
+) Weil der Kabi, früher auch bei Männern beliebt, heute, aufgrund seines geringen Alkoholgehalts, bei der Boomer-Männergeneration ein ähnliches Verlachen auslöst wie Rosèweine („Sowas trinke ich sicher nicht, das ist ja kein Wein“).
+) Weil die noch vor zehn Jahren auch in Deutschland beliebte Gewohnheit ein Essen (oft privat) mit einer Flasche Kabi abzuschließen (oft von Tschä-Tschä Prüm) – dem so genannten Reparaturwein – längst passee ist.
Das alles macht Kabinettweine, einst auch Mittelpunkt der deutschen Weinkultur und Weinwirtschaft, zu einer Randerscheinung im eigenen Land. Die größte Kabi-Auswahl, die ich je im Leben gesehen habe, sah ich 2018 in einem Londoner Nobelclub, wo beide Geschlechter aus zwölf verschiedenen deutschen Kabinettweinen auswählen konnte (und die auch fleißig tranken). Dort, in diesem modernen und hippen Privatclub (Eintritt als Clubfremder nur mit Einladung, super Essen, hip & beautiful people und gute Mucke) steht der deutsche Kabi für deutsche Weinkultur – die Weiß- und Rotweine (darunter ein offen ausgeschenkter Latour 2001) kamen dann aus Frankreich und Italien. Hier, in London, erkennt man noch den Schatz im Weinsee, den die Kabis verkörpern.
In Deutschland nicht.
Deswegen (was macht eigentlich das DWI?) wäre es gut an der Zeit, eine Kabi-Offensive vorzubereiten. This Year. Weil Kabi die Low-Alk-Weine des Gestern sind. Als man noch zu Mittag zweit eine Flasche verputzte. Sie könnten auch die Low-Alk-Weine der nun schon massiv anbrechenden Low-Alk-Zukunft sein. Dafür müssen wir gar nicht mehr Mittag essen gehen – es ginge auch so. Aber was macht das DWI eigentlich? Und der VDP?
>Fragen über Fragen.
Findest Du ? Ich habe das Gefühl und natürlich auch die entsprechenden Zahlen bei uns im Weingut, dass Kabinett insbesondere in Deutschland in den letzten 6-7 Jahren wieder massiv im kommen ist. Im Export war es eh nie anders. Insbesondere im angelsächsischen Raum inkl. ehemaliges Kolonialgebiet.
Bei uns ist Kabinett die wichtigste Kategorie egal ob trocken, feinherb oder klassisch fruchtsüß.